Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
und er war dankbar, dass Saubauer das Hantieren mit dem Urin übernommen hatte. Der Trainer prüfte zweimal, ob der Barcode auf dem grünen Formular mit denjenigen auf der A- und B-Probe übereinstimmte.
„Macht euch keine Sorgen. Anweisungen der Polizei haben gegenüber dem Sportreglement unbedingte Priorität!“, versuchte Mayerhofer zu beruhigen, während er auf eine telefonische Antwort von Graber wartete.
Nun war Jörg dran, mit der Ärztin in die Kabine zu gehen.
„Ja? Hoi! Hier ist Ruedi. Weißt du schon, was passiert ist, Hans?“, tönte Mayerhofer, denn er hatte es endlich geschafft, durchzukommen, doch seine Freude darüber erstarrte zu einer Maske. Er hörte lange zu und platze dann raus. „Gat’s dir no? Disqualifikation? – Was bitte schön soll das heißen, Hans, du müsstest auf sehr konservative IOC-Mitglieder Rücksicht nehmen? Zuerst Jaques Rogge dann Thomas Bach haben letzten Sommer versichert, auch Schwule würden nicht diskriminiert. War das nur für die westliche Presse, oder was? Ergreift ihr also die erstbeste Gelegenheit, um Putin zuliebe einen Schwulen loszuwerden? – Ja, t’schuldigung! Ich nehme es zurück!“
Fabian dachte einen Moment lang daran, ob die ganze kurzzeitige Entführung vielleicht nichts mit Homophobie zu tun hatte, sondern im Zusammenhang mit Edcham Pachomow und seinem versuchten Wettbetrug stünde. Doch wieso hatten sie dann auch Jörg mit entführt? Weil er ebenfalls von Edcham mit Tausendernoten in Versuchung geführt worden war und nicht mitgespielt hatte?
„Sicher nicht, Hans!“, diskutierte Mayerhofer weiter mit Dr. Graber. „Gegen eine Medaillenfeier ohne Luchsiger und Pesenbauer protestieren die Österreicher und ich energisch! – Ja, bis später!“ Anscheinend war das Gespräch abrupt beendet worden.
Die Ärztin testete inzwischen Jörgs Probe mit einem speziellen Messgerät, ob sie brauchbar war. Der Funktionär atmete ein paarmal schwer, bevor er erklären konnte, was er eben erfahren hatte: „Die Miliz behauptet, weder einen Terroralarm ausgelöst zu haben, noch die von den Reportern gefilmten vermeintlichen Beamten zu kennen, die unsere beiden Sportler angeblich in Sicherheit bringen wollten. Das russische olympische Komitee sieht deshalb den Anfangsverdacht eines Betrugsversuchs durch uns gegeben, um die Dopingkontrolle durch eine Inszenierung hinauszuzögern, bis der Körper die verbotenen Substanzen abgebaut habe.“
„Diese ultraschnell abbaubaren Dopingmittel sind doch nur ein Pressemärchen“, pflichtete ihm Sinowatz bei, der nun für Jörg die Probe aufteilen musste. Anscheinend traute auch der österreichische Ski-Star im gegenwärtigen psychischen Zustand es sich nicht zu, diese heikle Arbeit selbst auszuführen.
„Und Graber sagt mir noch ins Gesicht, ich meine ins Telefon, Luchsiger und Pesenbauer hätten sich erst den Ausweis der Polizisten zeigen lassen und deren Identität telefonisch gegenchecken sollen“, regte sich Mayerhofer weiter auf. „Zudem würde es Druck aus der Situation nehmen, wenn man heute Abend den Russen die Freude an der Feier ihres David Koslow gönnen würde. Alles Weitere kläre man frühestens ab Montag in einer Woche, also nach den Spielen, in Lausanne am Internationalen Sportgerichtshof.“
Der Funktionär musste erst ein paar Schritte auf und ab gehen, bevor er weitersprechen konnte. Fabian selbst kämpfte dagegen, dass ihm beim Stichwort Gerichtshof der Mageninhalt wieder hochkam.
„Ein solches Verfahren kann Jahre dauern!“, tobte Mayerhofer weiter, dass es im Kellerraum hallte. „Ich will am Mittwoch beim kommenden Riesenslalom unseren Luchsi dem Bundesrat Stutz als Doppelolympiasieger vorstellen. Graber ist bestimmt von den Russen bestochen worden! Und so en Tubel isch Schwiizer!“
„Was ist ein Tubel?“, fragte Jörg.
„Ein Wappler“, erklärte ihm Saubauer. „Wir gehen jetzt alle ohne Gezeter ins olympische Dorf zurück und bereiten dort eine scharfe österreichisch-schweizerische Presseerklärung vor, aber ohne Korruptionsvorwürfe versteht sich!“
Fabian wollte nichts sehnlicher als aus diesem Kellerraum heraus, weg von dieser Ärztin, in deren Augen er längst als überführter Dopingsünder galt. Draußen im Flur empfingen ihn Monti, Vanessa, Justin und auch viele Leute aus Jörgs Team sowie Fernsehkameras aus den Alpenländern. Es wurde spontan applaudiert, was die beiden Athleten wenigstens wieder ein wenig aufbaute. Richard stand beim Ausgang und telefonierte mit
Weitere Kostenlose Bücher