Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Blatter – auch mit Sitz im IOC – hatte sich ja schon mal lustig darüber gemacht, dass die übernächste Fußball-Weltmeisterschaft im homophoben Katar stattfinden würde und sich Schwule dort beherrschen müssten, wie er sich ausdrückte. Vielleicht würde das eine oder andere IOC-Mitglied hier eine Chance sehen, selbstbewussten Schwulen ihre Grenzen aufzuzeigen. Andererseits setzte Richard das IOC mit seiner öffentlichen Weigerung, die Silbermedaille anzunehmen, ganz schön unter Druck. Aber mit dem niedergeschlagenen Stas wollte er darüber nicht diskutieren. Der musste auch was essen, dachte er sich. Mit etwas im Magen würde die Welt nicht mehr so trist aussehen. Sie setzten sich mit je einer Mikrowellen-Lasagne nebeneinander vor den Fernseher.
Auf
SNI
wurde bereits der Pressesaal im olympischen Dorf gezeigt. Auch ein russischer Sportkanal hatte sich zugeschaltet und auf
CNN
zeigte man gerade Aufnahmen, wie Fabian von zwei Polizisten aus dem Zielraum gedrängt wurde und Koslow gleich danach vom südamerikanischen Doping Control Officer zum Test gebeten wurde. Justin zappte wieder zurück auf
SNI
; die Pressekonferenz hatte bereits begonnen.
Mayerhofer, sein österreichischer Amtskollege sowie die beiden betroffenen Athleten saßen an einem Pult auf dem Podium. Der österreichische Funktionär lobte Prinz Richard für seine Courage und schloss sich seinem Vorredner – damit meinte er wohl Mayerhofer – an, die beiden Athleten seien durch ein Sicherheitsleck der Veranstalter am rechtzeitigen Ausführen des Dopingtests gehindert worden. Jörg Pesenbauer habe auf Anraten der Sportanwälte des Verbandes bereits Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Entführung eingereicht und die FIS und den Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne offiziell über diesen Schritt informiert. Die Schweiz mit Fabian Luchsiger werde im Laufe des Abends dieselben Maßnahmen ergreifen, nachdem nochmals betont wurde, die Athleten hätten keine Wahl gehabt, als sich der vermeintlichen Polizeiaktion zu fügen. Widerstand gegen die Staatsgewalt sei ja strafbar. Man erwarte hier vom Tribunal gesunden Menschenverstand.
Dem österreichischen Offiziellen wurden von einem Helfer mehrere Zettel gereicht. Einen gab er an Mayerhofer weiter, der die Nachricht sogleich vorlas.
„Die Disziplinarkammer für Dopingfälle von Swiss Olympic sieht keinen Bedarf, gegen Fabian Luchsiger zu ermitteln. Zuständig für eine An- oder Aberkennung der Medaille ist allerdings das während der Olympischen Spiele eingesetzte Tribunal des Sportgerichtshofs in Lausanne.“
„Und ich darf zwei Dinge mitteilen“, fuhr Mayerhofers österreichischer Kollege fort. „Erstens: Hansi Vorderseher will sich Prinz Richard anschließen und wird heute Abend nicht für eine Medaillenzeremonie zur Verfügung stehen. Zweitens lässt uns das Tribunal wissen, die Medaillenfeier zur alpinen Kombination ist bis auf Weiteres ausgesetzt worden“, informierte der Österreicher die Pressevertreter.
Ein Journalist stellte Fabian eine Frage: „Haben Sie mitbekommen, dass unter der Leitung des Duma-Mitglieds Josef Adolew in der Stadt Sotschi etliche Russen unter der Führung einiger Geistlicher, aber auch mit ausländischer Beteiligung – darunter besonders viele Franzosen –, dafür demonstriert hätten, Homopropaganda im internationalen Sport zukünftig wie Dopingvergehen als Disqualifikationsgrund einzustufen?“
„Eigentlich dachte ich, Präsident Putin hätte alle Demonstrationen untersagt, also nicht nur diejenigen für Schwule und Lesben, sondern auch die der Gegner“, antwortete Fabian. „Wenn die Aussage
Ich liebe Florian
zu politisch ist und diese mich deshalb von den Spielen disqualifiziert, dann habe ich offenbar den olympischen Geist missverstanden und fahre eben morgen zum Flughafen.“
„Das wird selbstverständlich nicht nötig sein“, stellte Mayerhofer klar. „Präsident Putin gab im vergangenen Oktober beim Besuch des IOC-Präsidenten Bach die Versicherung, keiner werde diskriminiert. Wir Schweizer sind stolz auf die sportlichen Leistungen unseres Gold-Luchsis und gehen davon aus, das diese beiden Titel erst der Beginn einer großartigen Kariere sind“, betonte Mayerhofer.
„Lassen Sie mich nochmals betonen: Weder Luchsiger noch Pesenbauer haben heute irgendetwas Unsportliches gemacht und wir alle hier vorne weisen Vorwürfe, wir hätten die Dopingkontrolle durch eine inszenierte James-Bond-Einlage verzögern wollen, empört zurück“, stellte
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