Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Jump. Das war ein Rang besser als Richard. Der versuchte sportlich korrekt zu applaudieren. Sie blickte mit leuchtenden Augen auf den Großbildschirm, während Justin seine weiten Kurven zog und kaum die Idealposition verließ. Die Fahrt des Liechtensteiners wirkte auf Richard kämpferisch, aber nicht verkrampft. Diesen Eindruck bestätigte auch die letzte Zwischenzeit, Justin hatte vierzig Hundertstel Rückstand auf den Amerikaner und lag somit mit Koslow gleichauf.
„Musik!“, rief Monti einer nahestehenden Gruppe Schweizer Fans zu, die daraufhin ihre Treicheln schwangen, um den Nachbarn aus dem Ländle mit dem Gedröhn nun auf dem in einer weiten S-Kurve gesteckten Zielhang bis über die Linie zu tragen.
Vanessa stieß einen hohen Schrei aus und rief laut: „Viva Justin!“ Ihr offizieller Freund hatte zwar über eine Sekunde Rückstand auf Dave Hall, aber es reichte für ein Olympisches Diplom; er lag lächerliche fünf Hundertstel vor Richard. Doch der Prinz war sich sicher, das Dümmste wäre jetzt, sich deswegen vor Vanessa neidisch zu zeigen. Justin wurde auf dem Weg zu ihnen von Josef Adolews rechten Mannen mit einem Pfeifkonzert begleitet, aber nicht so heftig wie vorhin Florian. Richard applaudierte, wie es sich gehörte, während es die Ultranationalisten nun vorzogen abzuziehen. Russland würde ja definitiv leer ausgehen. Richard wusste, was gerade in Koslow vorgehen musste. Sicher war ein vierter Rang eine gute Leistung, aber er bedeutete eben auch, dass eine olympische Medaille zum Greifen nah gewesen war.
Klassement Super-G – Olympische Winterspiele Russland
1
Dave Hall
USA
01:38.21
2
Daniel Ruiz
ITA
01:38.41
3
Johann Ulrichen
SUI
01:38.54
4
David Koslow
RUS
01:38.61
5
Florian Häusle
GER
01:38.72
6
Simon Pöschl
AUT
01:39.24
7
Justin Bend
LIE
01:39.53
8
Richard Wales
GBR
01:39.58
9
Anton Pöschl
AUT
01:40.01
10
Pius Caflisch
SUI
01:40.35
11
Gregory Funtow
RUS
01:40.51
12
Ivica Gegoric
SLO
01:40.91
13
Antonio Küfer
ITA
01:41.26
14
Conradin Caratsch
SUI
01:41.27
15
Salvatore Di Como
ITA
01:41.28
16
Nils Gjøsteen
NOR
01:41.30
17
Yuko Takamoto
JPN
01:41.31
18
Sam Kent
USA
01:41.64
19
Gustav Hauser
ITA
01:42.02
20
Patrik Moser
SUI
01:42.08
Justin war der letzte Läufer am Start gewesen, der noch realistische Chancen auf einen Platz unter den ersten Zehn gehabt hatte, jetzt würden ein paar Exoten folgen, die nur gelegentlich in FIS-Rennen zu sehen waren. Nach der Gratulation und Wangenküsschen mit Vanessa wurde der Jüngste im Weltcup von Monti zur Dopingkontrolle geschickt. Bend schien das nicht besonders zu gefallen, aber immerhin würde der drittplatzierte Ulrichen ja nach der Blumenzeremonie nachkommen.
Da die Entscheidung um die vorderen Ränge gefallen war, war nun für die Presse Zeit, sich um Interviewpartner im Zielraum zu bemühen.
Einen Moment lang dachte Richard daran, ob er Vanessa spontan vor der Presse küssen sollte, wie es einst sein ältester Bruder in Klosters beim Skifahren getan hatte, aber er war sich ja nicht einmal sicher, ob seine Beziehung mit Vanessa das überhaupt schon zuließ, unabhängig von der Wirkung in der Presse. Eine auf den Kuss folgende Watsche von der impulsiven Italienerin wäre wohl das Peinlichste, was ihm passieren könnte.
Zudem wollte nun die Presse von ihm Statements und wie schon oft, musste er betonen, er wolle und dürfe sich hier nur zum Sport äußern und nicht zu gesellschaftlichen und politischen Angelegenheiten zu Hause. Er sei zufrieden mit einem weiteren olympischen Diplom, gratuliere den drei Medaillengewinnern und sei weiterhin der festen Überzeugung, mit einem Doppelolympiasieger das Zimmer zu teilen. Inoffiziell hatte er via Earl Corby erfahren, dass die Entscheidung über Fabians zweite Goldmedaille bis zur Woche nach den Spielen herausgezögert würde, aus Sicherheitsüberlegungen. Man fürchte Aktionen von rechtsgerichteten russischen Hooligans. Denen würde der Ausgang des heutigen Rennens wohl auch nicht schmecken, fürchtete Richard, denn ein Amerikaner hatte gewonnen und ihr Idol Koslow musste sich mit dem undankbaren vierten Rang abfinden.
Schon während der Blumenzeremonie war das Rosa Alpine Center
nur halb voll und auch die Journalisten ließen nun endlich von Richard ab. Zeit, zum Bus zu gehen. Fabian wäre mit Klaus und Stas per Ski direkt ins Dorf zurückgefahren, erklärte der dort wartende Coach, der inzwischen eingetroffen war. Nun mussten sie jedoch eine Dreiviertelstunde warten, bis Justin und Jonny aus der
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