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Der Silberbaron

Der Silberbaron

Titel: Der Silberbaron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Brendan
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zu. Ja, er gefiel ihr immer noch. Er war nicht gealtert. Doch sein widerspenstiges Haar war zerzaust, sein Teint wirkte ungesund und seine Kleidung unordentlich.
    “Entschuldige mein Aussehen.” Scharfsinnig nahm er ihre Frage vorweg, als er ihren Blick auf seinem unrasierten Kinn ruhen sah. Mit einem verlegenen Lächeln sagte er: “Ich nahm gestern Abend an einer Debatte in der Dorfhalle teil und kam erst nach Mitternacht ins Bett.” Mit zitternden Händen versuchte er, sein Haar und seine Kleider zu ordnen.
    “An einer literarischen Debatte?”, fragte Emma sehr interessiert.
    “Äh … nein.” Matthew lachte. “Nicht ganz so kultiviert, fürchte ich, mein lieber Blaustrumpf. Es ging um die Installation einer neuen Pumpe für den Dorfbrunnen und wie man die Kosten aufteilen soll. Nachdem wir uns geeinigt hatten, musste das natürlich begossen werden …”
    “Natürlich”, sagte Emma lächelnd, froh und erleichtert, dass sein Kater auf ein so alltägliches Ereignis zurückzuführen war. “Und weil die Pumpe noch nicht installiert ist, wart ihr ja förmlich gezwungen, statt Wasser Whisky zu trinken …”
    Matthew lachte. “So kenne ich meine Emma”, meinte er und berührte sanft ihr Gesicht. “Tatsächlich haben wir mit geschmuggeltem Genever angestoßen”, erklärte er, ihre Lippen mit dem Finger verschließend.
    Emmas Herz schlug schneller, als sie sich in die Augen sahen. Sie lächelte unter der leichten Liebkosung, fragte dann aber eilig: “Und wie geht es deinen Kindern? Mit deinem Hund hatte ich, glaube ich, schon einen kleinen Zusammenstoß.”
    “Ach ja, Trixie …”, murmelte Matthew und lachte.
    Maisie brachte den Tee, goss ein und bediente sie, wobei sie sie die ganze Zeit mit finsteren Blicken bedachte. In Matthews haselnussbraunen Augen zeigte sich Tadel, ja fast eine Warnung, als ihre Blicke sich begegneten, bevor die Dienerin die Stube verließ.
    “Ich muss mich für Maisie entschuldigen, weil sie dich draußen vor der Tür stehen ließ”, sagte Matthew ruhig. “Fremden gegenüber ist sie ein bisschen misstrauisch, aber sie ist ein braves Mädchen …”
    Emma drehte den Kopf, da sie aus dem Korridor ein gedämpftes Geräusch vernahm, ein belustigtes oder zorniges Schnauben … Matthew verriet mit keiner Miene, ob er es auch gehört hatte, ging jedoch wie zufällig an der Tür vorbei und drückte sie fest zu.
    “Nun, Emma”, erklärte er ablenkend, “trink deinen Tee aus, denn wir haben uns um mancherlei zu kümmern: um die Kinder, das Abendessen, vor allem aber um dich …”
    “Findest du, dass Rachel und Toby sehr groß geworden sind?”
    “Wahrhaftig. Ich hätte sie niemals wiedererkannt”, stimmte Emma wahrheitsgetreu zu. Doch dann verstummte sie, da ihr nichts Positives mehr einfiel. Sie zog ihre Pelerine enger um sich und blickte auf die in der Dunkelheit versinkenden Hecken und Felder.
    Der Einspänner schwankte über die Schlaglöcher; sie waren unterwegs nach Bath, wo sie die Nacht verbringen sollte. Matthew hatte keine Einwände erhoben, als sie ihn beim Abendessen davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass sie eine Unterkunft brauche. Er hatte sie nur ernst gefragt, ob sie denn über genug Mittel verfüge, und schien erleichtert, als sie das bejahte.
    Mrs. Keenes Pension am Lower Place am Rand von Bath biete für eine Dame der vornehmen Gesellschaft das beste Quartier, hatte er ihr entschlossen erklärt. Während sie nun in einträchtigem Schweigen in der Kutsche saßen, wusste Emma, dass Matthew hoffte, sie würde ein Wort des Lobes für Rachel und Toby finden. Doch das Wiedersehen mit den Kindern hatte sie überrascht und enttäuscht: Die beiden hatten keinerlei Ähnlichkeit mit den lieben Kindern, an die Emma sich erinnerte.
    Vor zwei Jahren hatte sie sich mit den Cavendishs an einem milden Herbstnachmittag im Hyde Park zu einem letzten Spaziergang getroffen, bevor diese von London in die Nähe von Bath zogen. Sie und Matthew hatten einander alles Gute gewünscht, versprochen zu schreiben und sich widerstrebend voneinander verabschiedet, während zwei kleine blonde Kinder in sauberer marineblauer Kleidung still und ernst neben ihnen standen.
    Heute hatte sie beklommen mit angesehen, wie Matthew halbherzig zwei Dreckspatzen ausschalt, weil sie sich nicht gewaschen und ihre Kleidung in Ordnung gebracht hatten, bevor sie sich zu ihrem Gast an den Abendbrottisch setzten. Widerwillig, fast mürrisch waren sie davongestapft.
    Emma selbst hatte sich in einer kleinen

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