Der Silberbaron
sicher. Und er war fest entschlossen, diese Ader abzubauen.
Die beiden Brüder tauschten einen reuigen Blick, bevor sie ein Lächeln aufsetzten und das Speisezimmer betraten. Richard lächelte noch süßlicher, als er dem erbosten Blick seiner Mutter begegnete. Dann wandte er sich der brünetten jungen Frau zu, die ihr Gesicht kokett hinter einem flatternden Fächer verbarg. Ihre braunen Augen blickten ihn über die Elfenbeinstäbchen hinweg verstohlen an. Er biss die Zähne zusammen, verbeugte sich jedoch höflich.
Zum Teufel mit dir, David, stöhnte er innerlich, an seinen Freund und dessen glückliche Ehe denkend. Damit hatte dieser einen ärgerlichen Präzedenzfall für eine Liebesheirat, Glück und eheliche Treue geschaffen … Und er und David waren sich so nah, waren einander so ähnlich.
Richard wusste um die schmerzende Leere, die sowohl David als auch er tief im Innersten verspürten und die nur die Liebe zu füllen vermochte. Sie ließ sich weder ignorieren, noch von Betriebsamkeit oder selbstsüchtiger Lust verscheuchen …
Denk an das Kupfer, sprach er sich Mut zu, während er lächelnd weiterging. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich neben den Duke of Winstanley. “Was machen die Fasane, Sir?”, fragte er ernst.
3. KAPITEL
“Was gibt’s zum Abendessen, Mrs. Keene? Doch nicht schon wieder Karotten mit Speck?”, fragte Emma und schnupperte das kräftige Aroma ein, das von der Küche heraufdrang.
“Aber nein, meine Liebe”, erwiderte ihre Wirtin, die sich an der abfälligen Bemerkung nicht zu stören schien.
Emmas Augen glänzten, und sie ließ ihr Buch sinken. “Und, was gibt es?”
“Äh, Schweinebauch, meine Liebe. Mit Kräutern.”
“Etwa geräuchert, Mrs. Keene?”, fragte Emma seufzend.
“Wohl, wohl, Miss Worthington”, sagte die Wirtin mit einem jovialen Lächeln. “Und eine gute Nachricht hab ich auch für Sie, wo Ihnen bestimmt eine kleine Anerkennung wert sein wird, einer netten jungen Dame wie Sie. Also, nicht dass es meine Aufgabe wäre, schließlich hab ich viel zu tun, aber ich hab doch gesehen, wie Sie die Anzeigen in der
Gazette
nach einer Stellung durchsucht haben, und was glauben Sie, was ich heut von einer Freundin erfahren hab, die es von einem Hausmädchen hat?” Sie lehnte sich vor und blickte Emma erwartungsvoll an.
Diese fragte entgegenkommend: “Und, was haben Sie erfahren, Mrs. Keene?”
Schwungvoll zog die Wirtin einen schmierigen Zettel aus der Schürze. “Meine Liebe, eine vornehme Dame in Bath sucht eine hochgeborene Gesellschafterin … Sie kann sich jeden Luxus erlauben, langweilt sich aber …”, hier hielt Mrs. Keene ihre wohlgepolsterte Hand vor den Mund und deutete ein Gähnen an, “… und sobald ich das gehört hab, na, da hab ich mir die Mühe gemacht, mit meiner Freundin zu reden und Sie in den höchsten Tönen zu loben. Meine Freundin hat’s dem Hausmädchen erzählt, und die hat’s Ihrer Herrschaft gesagt. Und jetzt schickt Ihnen die Lady ihre Adresse. Na, was sagen Sie jetzt?”
Emma biss sich auf die Lippe. Was sollte sie dazu sagen? Seit einigen Tagen schon hielt sie sich in Mrs. Keenes Pension auf und hatte in dieser Zeit auch in der
Gazette
geblättert und sich die Stellenangebote angesehen. Doch war ihr Interesse nur halbherzig, da sie sich nicht im Klaren darüber war, ob und wie sie anfangen sollte. Schließlich war sie zur Dame erzogen worden und nicht im Geringsten darauf vorbereitet, sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen zu müssen.
Pikiert ob der ausbleibenden Begeisterungsstürme, sagte Mrs. Keene beleidigt: “Also, wenn Sie kein Interesse haben, gebe ich die Adresse an die neue Dame weiter, die gestern angekommen ist. Die sucht ganz verzweifelt eine Stelle, und für eine ausländische Dame im besten Teil von Bath zu arbeiten wird ihr vorkommen wie das Paradies.”
“Es war sehr nett von Ihnen, Mrs. Keene, dass Sie an mich gedacht haben. Ich bin Ihnen sehr dankbar.” Emma schenkte der Frau ein besänftigendes Lächeln und nahm den Brief mit den Details entgegen. “Ich werde hingehen, und falls es nicht das ist, was ich suche, kann ich es anderweitig probieren …”
“Ei natürlich. Aber die Stellung ist gewiss das Richtige, und bestimmt werden Sie nicht vergessen, wer sie Ihnen vermittelt hat.” Die Wirtin nickte der bedrückt wirkenden jungen Frau gutmütig zu. Wie ein verlorenes Kind sah sie aus: schmal, zu zerbrechlich, um einen Mann in Versuchung zu bringen, aber so herrliches karamellbraunes
Weitere Kostenlose Bücher