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Der Silberbaron

Der Silberbaron

Titel: Der Silberbaron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Brendan
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diesen Leuten zu entfliehen. Sie sah nervös auf ihre Hände hinab und fragte sich, wie sie sich herauswinden könne.
    Yvette Dubois war sofort klar, dass es ihr nicht gelungen war, Richards Aufmerksamkeit von dieser kleinen grauen Maus abzulenken. Ständig auf der Hut vor möglichen Rivalinnen, hatte sie ihre Gesellschafterin in spe binnen Sekunden von Kopf bis Fuß taxiert und mit großer Befriedigung festgestellt, dass sie so hausbacken war, wie sie sich nur wünschen konnte, und keinerlei Gefahr darstellte.
    Sie legte den Kopf schief, so dass ihr die blonden Löckchen über die hübsche Schulter fielen, und schürzte das reizende rosa Schnäuzchen zu einem boshaften Lächeln. Richard war es nicht gewohnt, mit unscheinbaren Frauen zusammenzutreffen, und verspürte vermutlich Neugier und etwas Mitleid mit dem armen dünnen Ding.
La pauvre
sieht aus, als könne sie eine nahrhafte Mahlzeit gut gebrauchen, stellte Yvette mit einem Blick auf die schmalen Handgelenke gehässig fest. Beifällig betrachtete sie ihre eigenen molligen und mit Juwelen geschmückten Hände und sagte zuckersüß: “Verzeihen Sie die Verzögerung, Ma’mselle, und auch, dass ich Ihren Namen vergessen habe. Eben wusste ich ihn noch, und nun ist er mir entfallen.” Lässig zuckte sie die Schultern. “War es vielleicht Miss Woodman?”, fragte sie leicht ungeduldig, als Emma ihre Identität nicht sofort enthüllte.
    “Ja”, bestätigte Emma nach einer winzigen Pause, “Miss Eleanor Woodman”, und hob den Kopf.
    Die Türglocke ertönte, und kurz darauf erschien der Butler. Er öffnete die Tür und nahm die Post in Empfang. Verlockend schien von draußen die Herbstsonne herein. Emma sprang hastig auf und sagte: “Es tut mir leid, ich habe noch eine weitere Verabredung, für die ich schon etwas spät dran bin. Wenn Sie mich bitte entschuldigen möchten …” Atemlos stieß sie diese Worte hervor, da sich der Butler bereits anschickte, die Eingangstür wieder zu verschließen. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Madame der Mund offen stehen blieb ob dieser Zurückweisung, vor allem jedoch nahm sie Richard Du Quesnes erbarmungslosen Blick wahr. Das war es, was sie zur Flucht trieb.
    Sobald sie sich durch den schmalen Spalt gedrängt hatte, eilte sie die eleganten Stufen hinab und jagte dann, die Röcke gerafft, kopflos davon. Ein paar Straßen später musste sie anhalten und Atem schöpfen, bevor sie sich wieder aufmachte, so viel Distanz wie möglich zwischen sich und diese silbergrauen Augen zu bringen. Sie lehnte sich an eine Mauer und hüllte sich fester in ihre Pelerine, als fürchtete sie, erkannt zu werden. Mit zitternden Händen rieb sie sich das Gesicht und stellte fest, dass sie weinte. Zornig wischte sie sich die Tränen ab und ging dann langsamer, gesitteter auf einen eingezäunten kleinen Park zu.
    Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand, hatte aber das deprimierende Gefühl, dass Mrs. Keenes Pension am anderen Ende von Bath lag und sie in die falsche Richtung gerannt war. Daher suchte sie die Umgebung nach einer Kirchturmspitze oder einem Dachstuhl ab, die ihr bekannt vorkämen und den Heimweg wiesen, und seufzte, als sie nichts als die dräuenden Sturmwolken im Westen entdeckte. Sie sollte sich wirklich nach dem Weg erkundigen, zögerte jedoch, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Sie näherte sich einer Bank, von der soeben ein junges Paar aufgestanden war, und setzte sich. Gerade ging die Sonne hinter dem graulila Wolkenschleier unter und sandte goldglühende Strahlen in die kalte Atmosphäre. Du hättest Matthews Angebot, auf dich zu warten und dich heimzufahren, annehmen sollen, schalt sie sich im Stillen. Inzwischen wäre sie längst in Mrs. Keenes Speisezimmer, vor sich ihr Abendessen.
    Bei diesem Gedanken knurrte ihr der Magen. Ihre überstürzte Flucht hatte sie erschöpft, und ihr war ein wenig flau. Sie würde zu spät kommen und nichts mehr zu essen erhalten … dabei hatte sie ihren Shilling schon bezahlt. Nun ja, es gibt sowieso nur wieder Speck, tröstete sie sich.
    Sie zog ihre schmale Börse hervor und zählte die Münzen darin. Ob es für etwas zu essen auf dem Heimweg reichte? Bei dem Gedanken begann ihr Magen schon wieder zu knurren. Allerdings konnte nicht einmal ihre große Sehnsucht nach etwas Essbarem die Erinnerung an die reich geschmückte, kühle Eingangshalle und den Mann mit den durchdringenden silbergrauen Augen verdrängen.
    Inzwischen hatte sie den Schock und die Demütigung, ihn unter solch

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