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Der Silberbaron

Der Silberbaron

Titel: Der Silberbaron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Brendan
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lügen. Täuschungen konnte sie sich für Wichtigeres aufheben.
    “Mrs. Keene?”, sagte Richard in völlig normalem Tonfall.
    Nach einem kurzen Scharren trat die Frau in die Tür, wobei sie eifrig den Messingtürknopf polierte. “Grad werd ich mit der Hausarbeit fertig”, erklärte sie.
    “In der Tat …”, entgegnete er trocken. “Ich nehme an, Ihre Küche hat ein paar Köstlichkeiten zu bieten.”
    Emma unterdrückte wohlweislich ein spontanes Lachen. Mrs. Keenes Köstlichkeiten würden den Baron schnell in die Flucht schlagen.
    “Aber ja, Eure Lordschaft, sofort bringe ich Ihnen was”, bot Mrs. Keene hastig an, “ei, und Sie, Miss, haben ja Ihr Abendessen verpasst, nicht wahr? Sie hätten was sagen sollen, ich hatte ja so viel zu tun, dass es mir gar nicht aufgefallen ist. Also, ich hab ein schönes Stück Rinderkeule mit Gemüse, oder Lammeintopf mit Klößchen …”
    Richard sah Emma fragend an, doch die hielt sich nur den knurrenden Magen und starrte Mrs. Keene entgeistert an. Rind? Lamm? Klößchen? Was war aus Schweinespeck und Karotten geworden?
    “Bringen Sie uns zwei Teller Rindfleisch, und beeilen Sie sich bitte”, ordnete Richard an, die Entscheidung für beide treffend.
    In Windeseile hatte Mrs. Keene den kleinen Tisch im Salon gedeckt, und gerade als Emma ihren Stolz zusammennehmen und Richard erklären wollte, er könne hier gefälligst allein essen, sie wolle gewiss nichts, wurden die dampfenden Speisen aufgetragen. Emma kapitulierte vor dem köstlichen Duft.
    Mrs. Keene blieb abwartend in der Tür stehen, den Rock elegant zwischen Daumen und Zeigefinger gelüpft.
    “Vielen Dank, Mrs. Keene”, sagte Richard gnädig. “Damit sind Ihre häuslichen Pflichten für heute wohl erfüllt, nicht wahr?”
    “Aber ja, Mylord, gewiss, Mylord”, erklärte sie und empfahl sich auf sein gebieterisches Nicken hin.
    Emma blieb an der Wand stehen, den Blick auf den Tisch geheftet, und rang immer noch mit sich, dem Essen zu widerstehen … und ihm. Ein Stückchen von diesem duftenden Brot würde genügen …
    “Setzen Sie sich.” Der Befehl machte ihre halbherzige Abwehr zunichte. Sie ließ sich auf den Stuhl sinken, den er für sie herangerückt hatte. Er setzte sich ihr gegenüber und schob einen der Teller zu ihr hinüber, butterte ein Stück Brot und begann gelassen zu essen.
    Sie speisten schweigend, doch Emma dachte nicht daran, seinem Blick demütig auszuweichen. Von Zeit zu Zeit sah sie ihm stolz in die Augen, verzweifelt bemüht, sich ebenso ausdruckslos zu geben wie er. Es war ein aussichtsloses Unterfangen. Jedes Mal, wenn er ihr ein Stück Brot reichte oder ihr Wein nachgoss, erstarrte sie und hätte ihm die Gabe am liebsten an den Kopf geworfen. Und er wusste es auch – das wurde ihr klar, als sie seine spöttisch verzogene Miene bemerkte. Wütend starrte sie ins Feuer.
    Nach der Mahlzeit sagte er schließlich ruhig und sehr vernünftig: “Ich glaube, dass es klug wäre, Ihren Eltern mitzuteilen, wo Sie sich gegenwärtig aufhalten.”
    “Bitte mischen Sie sich nicht ein”, erwiderte Emma ruhig und höflich, da sie einen unausgesprochenen Waffenstillstand spürte. “Sie bereiten uns nur unnötig Kummer. Niemand wird es Ihnen danken, wenn Sie die Angelegenheit verbreiten, am wenigsten meine Eltern.”
    In seinem Blick lag noch größere Aufmerksamkeit. “Hat man Sie aus dem Haus gewiesen? Von London fortgeschickt?”
    Emma wandte das Gesicht ab, da sie spürte, wie sie errötete, als ihr die Bedeutung seiner Worte aufging. Anscheinend hielt er sie für genauso sittenlos wie seine zahllosen Gespielinnen. Doch seine niedrigen Vermutungen kämen ihr vielleicht genau entgegen.
    Ja, warum sollte sie es nicht aufgreifen? Damit könnte sie einen heuchlerischen Lüstling wie ihn gewiss abstoßen. Wenn es einen unfehlbaren Weg gab, einen Gentleman loszuwerden, so war es der Hinweis auf eine bevorstehende illegitime Geburt.
    “Nun, es ist eine recht delikate Angelegenheit …”, flüsterte Emma. “Mehr möchte ich nicht sagen. Gewiss verstehen Sie, was ich meine …”, schloss sie schüchtern, ein befriedigtes Lächeln verbergend.
    “Aber Sie sollen mehr sagen, denn ich verstehe Sie keineswegs”, gab er unerbittlich zurück. “Haben Ihre Eltern Sie weggeschickt, um einen Skandal zu vermeiden?”
    Sie schwieg zaghaft, doch als sich die Stille unendlich lang hinzuziehen drohte, verflüchtigte sich ihre Selbstzufriedenheit.
    “Sind Sie guter Hoffnung?”
    “Ich flehe Sie an, nicht

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