Der Silberbaron
ich auch von Ihnen halten mag, ich habe Sie immer als ihren treuen Freund angesehen.”
“Gewiss. Und als Gegenleistung erwarte ich von Ihnen, dass Sie versprechen, hier zu bleiben, bis die entsprechenden Arrangements für Ihre Zukunft getroffen werden können.”
“Gute Nacht, Mylord”, verabschiedete Emma sich kurz angebunden und verließ würdevoll den Salon.
Langsam und mit hoch erhobenem Haupt schritt sie die Treppe hinauf, doch ihre Knie zitterten. In ihrem Zimmer angekommen, entzündete sie die Kerze auf der Nachtkonsole und legte sich aufs Bett. Sie war so verstört, dass sie zu keinem klaren Gedanken fähig war. Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen, während ihr heiße Tränen die Wangen hinabströmten. “Ich hasse ihn”, flüsterte sie. “Ich hasse ihn …” Wie konnte er es nur wagen, sie so respektlos zu behandeln, mit einer solchen Freizügigkeit, als wäre sie eine schamlose Schlampe wie dieses französische Weib?
Aber du hast ihm doch vorgegaukelt, du wärst eine schamlose Schlampe, mahnte eine leise innere Stimme. Du hast ihm zu verstehen gegeben, du hättest deine Tugend und den Verstand verloren und dich schwängern lassen, und dann hast du dreist seine Hilfe abgewiesen. Er hat auf diesem Gebiet viel mehr Übung als du, schließlich hat er mit Tändeln begonnen, als du noch ein Schulmädchen warst. Der schiere Wahnsinn, ihm weiszumachen, du seist ein gefallenes Mädchen! Ein Mann von seiner Arroganz und Erfahrung musste wohl glauben, dass du um seine Protektion bittest. Zweifellos ist er überaus stolz auf seinen Versuch, ein dummes Flittchen vor dem Elend zu bewahren.
Er hatte ihr angeboten, für sie zu sorgen, und sie war sicher, dass es ihm ernst damit war. Auch wenn die Lust, die sie in ihm weckte, einmal gestillt war und er nur noch Mitleid und Abscheu für sie empfand, würde er weiterhin für sie aufkommen.
Diese Demütigung war zu viel. Emma drehte sich auf den Bauch und trommelte zornig mit den Fäusten auf das Kissen ein. Du hättest die Wahrheit sagen können. Du hättest ihm erzählen können, dass du in Bath bist, um einen ehrbaren Mann zu ehelichen. Stattdessen hast du dir von deinen uralten Vorurteilen den Verstand vernebeln lassen. Du hast ohne jede Vorsicht gehandelt und hast dir diese katastrophale Situation einzig und allein selbst zuzuschreiben!
“Mrs. Keene?”
Die Frau sprang wie angestochen aus ihrem Schaukelstuhl. “Ach, Euer Lordschaft, ich hab Sie gar nicht reinkommen hören. Kann ich noch was für Sie tun?” Wieder knickste sie ehrfürchtig.
“Das Abendessen war gut”, sagte Lord Du Quesne mit einem lobenden Nicken. “Miss Worthington hat erklärt, sie habe ihr Essen bereits bezahlt. Was bin ich Ihnen schuldig?”
Mrs. Keene blickte auf. Die einfältige Person dachte wohl, sie würde für einen Shilling ein Luxusdiner bekommen, was? “Aber ich bitte Sie, nichts natürlich”, sagte sie demütig. “Ist mir eine große Ehre, wenn Sie mich mit Ihrer Anwesenheit beehren, Sie sind mir jederzeit wieder willkommen …”
“Danke”, unterbrach er ihre vollmundige Einladung und lächelte sie an. “Solange Miss Worthington bei Ihnen wohnt, möchte ich, dass gut für ihr Wohlergehen gesorgt wird. Ich könnte mir vorstellen, dass sie manchmal ihr Essen vergisst … oder auch, dafür zu bezahlen. Ich werde für etwaige Schulden aufkommen, möchte aber nicht, dass ihr das zu Ohren kommt.”
“Aber natürlich, Mylord, wo sie doch so ein stolzes, lesewütiges kleines Dingelchen ist. Wenn sie die Nase in ihrem Buch hat, vergisst sie manchmal glatt, zum Essen zu kommen. Dauernd liest sie Romane. Außer wenn ihr Freund kommt und sie auf eine Ausfahrt mitnimmt.”
Richard drehte sich langsam wieder um. “Ach ja, dabei handelt es sich wohl um Mr. Sullivan, ihren Vetter. Er ist ein guter Freund von mir. Dunkel, klein und recht dick.”
“Aber nein, Mylord”, sagte Mrs. Keene unschuldig, “das muss wohl ein anderer Herr sein. Groß ist er, wenn auch nicht so groß wie Sie, mit hellbraunen Haaren. Manchmal bringt er seine Kinder mit, und dann fahren sie alle in seinem Einspänner davon. Matthew nennt Miss Worthington ihn”, fügte sie hilfreich hinzu. “Nicht dass es mich was anginge, natürlich, und eine Klatschbase bin ich auch nicht …”
“Da stimme ich Ihnen zu, Mrs. Keene, es geht Sie in der Tat nichts an, und es würde mich sehr verärgern, wenn mir irgendwelcher Klatsch zu Ohren käme …”
5. KAPITEL
“Was halten Sie von Lammeintopf zum
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