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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Zufluchtsort für hochbrisante Plaudereien zu bieten. Mithilfe der Computer konnten sie sich auf einer gesicherten Verbindung über den neuesten Schwarm, den abartigsten Professor oder die angesagtesten Rockbands unterhalten. Mittlerweile war das Klappern auf der Tastatur out, und sie benutzten eine Sprachverbindung, die mit einer 256-Bit-Verschlüsselung abgesichert wurde.
    Yeremi stellte die Verbindung zum Internet her und tippte das Schlüsselwort »blackch&« ein, um die Schwarze Kammer zu öffnen. Nach wenigen Sekunden erschien auf dem Bildschirm eine miniaturisierte Fotografie Sandras.
    »Wie ist die Verbindung?«, fragte Yeremi in das Mikrofon ihres Notebooks.
    »Du klingst wie eine sprechende Blechdose«, ertönte die Stimme der Journalistin schnarrend aus dem Lautsprecher des mobilen Computers. »Sag mal, bist du schon wieder in Peru, oder warum schlägst du die Schwarze Kammer vor?« Ihre Frage bezog sich auf das Ausgrabungscamp in Tupac Amaru, das über einen Internetanschluss verfügt hatte; diese Art der Telefonie war für die Freundinnen eine kostengünstige und zeitweise sogar die einzig funktionierende Art der Kommunikation gewesen.
    Sandra wusste von Yeremis Plänen, über die Feiertage nach Pacific Grove zu fahren, deshalb kam diese gleich zur Sache. »Mein Telefon wird möglicherweise abgehört.«
    Ein Laut des Erstaunens drang aus dem kleinen Lautsprecher. Dann: »Die Geheimniskrämerei ist eigentlich mein Ressort, Jerry. Geht es um diese Guyana-Sache?«
    »Könnte man so sagen, Cousinchen…« Yeremi stockte. Neuerdings musste sie ihren Stammbaum ja über Hanussen herleiten, was Sandra zu einer Fremden für sie machte. Nein, das stimmte nicht. Sie war immer noch ihre beste Freundin. »Hör mal, du hast doch schon oft im Archiv des San Francisco Chronicle für mich recherchiert.«
    »Nachtigall, ick hör dir trapsen«, drang es in Deutsch aus dem Notebook. Diese Bellman-Marotte schlich sich hin und wieder auch in die Schwarze Kammer ein.
    Yeremi berichtete im Telegrammstil, was sie über MK-Ultra und die Aktivitäten US-amerikanischer Geheimdienste auf dem Feld der Gefühls- und Gedankenkontrolle wusste. Sie müsse dringend erfahren, ob es hierzu aktuelle Forschungsprojekte oder sogar Bestrebungen zur Anwendung von empathischer Telepathie gebe.
    Es dauerte einige Augenblicke, bis sich wieder Sandras blecherne Stimme über das leise Rauschen des Lautsprechers erhob. »Ich kann dir definitiv bestätigen, dass die US-Regierung in der Vergangenheit paranormale Phänomene erforscht hat. Telepathie gehörte auch dazu. Man wollte gegenüber Moskau nicht ins Hintertreffen geraten, das auf diesem Gebiet sehr aktiv war. Alles, was ich dir darüber sagen kann, entspringt eher privatem Interesse – du weißt ja…«
    »Die Geheimniskrämerin, ja, ja!«
    »Genau.« Ein quietschendes Lachen hallte aus dem Computer. »In der Lokalredaktion des Chronicle kommt man leider nur selten mit den Mysterien der großen weiten Welt in Berührung. Na, jedenfalls müsste ich ein wenig recherchieren, um herauszufinden, wie diese Forschungen in Gang kamen, ob sie noch andauern und, vor allem, ob die gewonnenen Erkenntnisse jemals zum Einsatz gekommen sind. Ich habe da allerdings einen Informanten, der mir schon des Öfteren einen heißen Tipp gegeben hat.«
    »Sei bitte vorsichtig, Sandra! Möglicherweise hört der CIA oder die NSA diese Leitung ab. Wenn ihr Supercomputer unser Gespräch erst lange genug durchgemangelt hat, werden sie wissen, was wir vorhaben.«
    »Ich dachte, das dauert bei einem 256-Bit-Schlüssel ein paar Millionen Jahre.«
    »Die Zeiten ändern sich, Sandra: Sie schrumpfen.«
    »Sehr poetisch! Wie weit soll ich denn auf dem komprimierten Zeitstrahl in die Vergangenheit zurückreisen?«
    Yeremi drehte den Zettel mit dem Diagramm Nummer zwei um und betrachtete nachdenklich das Kästchen, in dem das Wort »Medusa« stand. »Sagen wir bis Anfang der Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts. Außerdem würde mich interessieren, ob es irgendwelche Verbindungen zwischen dem Jonestown-Massaker und etwaigen Telepathieprojekten der Regierung gibt.«
    »O mein Gott! Fängst du damit wieder an?« Sandra wusste um Yeremis traumatische Kindheitserlebnisse.
    »Tust du mir den Gefallen? Ich würde mir nur ungern eine neue Rechercheurin suchen.«
    »Na gut, wenn du dich unbedingt wieder auf diesen Psychotrip einlassen willst – ist deine Entscheidung.«
    »Ich meld mich wieder bei dir. Mach’s gut. Du bist ein Schatz,

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