Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
Unwillig streute sie etwas Pulver auf den Handrücken und schnupfte es. Ihr Blick trübte sich, dann sank sie hinter dem Tresen zusammen.
»Verdammt!«, fluchte der Däumlingszauberer. »Jetzt erklärt sich auch dieser Feuerteufel im Rathaus. Hat die Ratsdame nicht erzählt, dass Gismo Sturmwind ihr die Schminkdose geschenkt habe?«
»Ja, stimmt«, antwortete Fi. »Nur dass in Wahrheit offenbar Morbus Finsterkrähe dahintersteckte.«
»Was war ich bloß für ein Narr?« Eulertin schüttelte ungläubig den Kopf. »Erst gestern habe ich Sturmwind im Zunfthaus aufgesucht und mich mit ihm über den magischen Brunnen im Rathaus unterhalten. Wenn ich in Wahrheit Finsterkrähe gegenübersaß, hätte er mich auf einfache Weise überrumpeln können. Ich frage mich, warum er das nicht getan hat.«
»Vielleicht war es ihm wichtiger zu erfahren, was wir inzwischen über ihn und seine Pläne wissen«, dachte Fi laut nach. »Habt ihr ihm auch von Nikk erzählt?«
»Ja.« Eulertin nickte. »Er wollte wissen, wo sich Prinz Nikkoleus jetzt aufhält, doch darüber war ich zu dem Zeitpunkt noch nicht unterrichtet. Er hätte aber auch mein Aussehen annehmen und euch in einen Hinterhalt locken können.«
»Trotz Eurer Größe?«, wandte Fi ein.
Eulertin sah überrascht zu ihr auf. »Du hast Recht, die Mixtur des Verkleinerungselixiers ist nur uns Däumlingen bekannt.«
»Dann hat uns dieser Umstand vermutlich gerettet.« Fi atmete tief ein. »Und vielleicht wollte Finsterkrähe auch erfahren, was uns der Brunnen offenbaren würde. Obwohl«, korrigierte sie sich, »dagegen spricht, dass er nicht im Rathaus war.«
»Wer weiß.« Der kleine Magister wog nachdenklich den Kopf. »Vielleicht war er es auf gewisse Weise doch. In Universitätskreisen wird gemunkelt, dass nach der Ermordung der beiden Flammenhöhs ein Bergauge aus ihrem Besitz verschwunden sei. Dabei handelt es sich um eine magische Kristallkugel, durch die man ferne Orte und Personen betrachten kann.«
»Wie dem auch sei«, meinte Fi. »Der Hexenmeister hat Hammaburg verlassen. Das wissen wir von Tandarin. Wohin er auch immer unterwegs ist, es muss ihm wichtiger gewesen sein, als gegen uns vorzugehen.«
»Wir müssen uns im Zunfthaus umsehen«, sagte Magister Eulertin. »Nur so bringen wir in Erfahrung, was der Kerl plant.«
Fi steckte Pfeil und Bogen wieder weg. Sie trat ans Schaufenster und spähte in die Windmachergasse. Das verwinkelte Zunfthaus mit den zwei runden Turmerkern lag schräg gegenüber. Noch immer standen zwei Gardisten vor dem Eingang. Doch davon ließ sich Magister Eulertin nicht abhalten. Rasch beschwor er drei kleine Luftelementare herauf. Das erste schickte er aus, um Dystariel und Nikk zu benachrichtigen. Das zweite sandte er die Gasse hinunter zu Tandarin. Das dritte und kräftigste ließ er die Schachtel mit dem Schlafpulver in die Luft heben. »Würdest du bitte die Ladentür öffnen?«, bat er Fi. Sie tat es und sogleich stob der Windgeist mit der Schachtel nach draußen und kippte den Inhalt über den beiden arglosen Gardisten aus. Die Männer husteten und sackten benommen auf dem Pflaster zusammen.
Nun lag die schmale Gasse verlassen vor ihnen. Hastig sorgte Eulertin dafür, dass die schlafenden Männer in einem dunklen Hauseingang verschwanden.
»Und Ihr glaubt, wir kommen einfach so in das Zunfthaus hinein?«, fragte Fi.
»Nein«, sagte der Däumling, der jetzt wieder neben ihr schwebte. »Ich kannte den echten Gismo Sturmwind schon länger. Vor zwei Jahren hat er mir erzählt, dass das Zunfthaus von machtvollen Tiergeistern geschützt wird.«
»Schaffen wir es an ihnen vorbei?
»Ohne die Animus-Formel? Unmöglich. Die enthüllt sich nur dem rechtmäßig gewählten Zunftmeister der Stadt.« Eulertin sah suchend zum bewölkten Nachthimmel auf. »Es ist mir ein Rätsel, wie es Finsterkrähe geschafft hat, diese Schutzgeister zu umgehen. Er muss sie irgendwie gebannt haben. Und ich befürchte, dass er das Gebäude jetzt auf andere Weise gesichert hat. Wir werden daher jemanden vorschicken, der etwas unempfindlicher ist als unsereins.«
Fi ahnte bereits, von wem der Däumling sprach. Doch Dystariel ließ auf sich warten. Stattdessen schleppte sich eine bandagierte Gestalt auf sie zu.
»Wart Ihr erfolgreich?«, stöhnte Tandarin.
»Wie man’s nimmt.« Eulertin klärte den Puppenmacher über die zurückliegenden Geschehnisse auf.
Da erklang über ihnen ein machtvolles Rauschen und der schmale Streifen Nachthimmel, der zwischen den
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