Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
einstweilen von einer Untersuchung Eurer Räumlichkeiten absehen«, fuhr der Däumling fort, »wenn Ihr mir erklärt, wo das Holz der Golderle geblieben ist, die Ihr vor Kurzem drüben im Schmugglerviertel habt fällen lassen.«
»Die verdammte Golderle?« Die Traumhändlerin beäugte kurz ihren Zauberstab, der unerreichbar am Boden lag. »Seit wann steht das Gestrüpp auf der Roten Liste Hallas?«
»Beantwortet nur meine Frage. Und sagt mir auch gleich, wer Euch mit der Abholzung des Baums beauftragt hat.«
Die Traumhändlerin maß den kleinen Magier mit geringschätzigen Blicken. »Ich kenne den Kunden nicht. Er ist ein Magier, aber er kommt nicht aus der Stadt. Ich sollte das Holz zu handlichen Scheiten hacken lassen und zu einem Lagerhaus am Hafen bringen.«
»Das ist alles?«, hakte Magister Eulertin nach.
»Ja, verdammt! Wenn Ihr nichts weiter gegen mich in der Hand habt, werde ich in Halla Beschwerde gegen Euch einlegen.«
Fi lauschte dem Gespräch nur mit halbem Ohr. Ihr Blick war an der Traumhändlerin vorbei zu dem Regal neben dem Bild mit den Zauberern gewandert. Sie atmete scharf ein. Dort stand der Glaskolben mit der violetten Flüssigkeit, den sie ebenfalls im Nixenbrunnen gesehen hatte. »Was ist das da oben?«, herrschte sie die Magierin an.
Alpme Somnia folgte Fis Blick. »Luzidol. Ein magisches Elixier, das mir dabei hilft, an die Träume meiner schlafenden Spender zu gelangen. Funktioniert sogar bei den ganz Verwirrten.« Sie lachte abfällig.
Fi, die immer noch den Pfeil auf die Traumhändlerin gerichtet hielt, umrundete die Ladentheke und trat unter das Regal, auf dem die Flasche stand. Magister Eulertin sah Fi irritiert nach. »Nun, wenn Ihr in Halla …«, nahm er den Faden wieder auf, als Fi abermals aufschreckte. Beiläufig war ihr Blick auf das kleine Gemälde neben dem Flaschenregal gefallen. »Woher stammt dieses Bild?«, fiel sie dem Däumling ins Wort.
Alpme Somnia sah missmutig zur Wand auf. »Was soll das alles?«
»Sagt schon!« Fi zog die Sehne mit dem Pfeil weiter durch.
»Dieses Bild hängt bei jedem meiner Hammaburger Kollegen«, antwortete die Traumhändlerin hastig. »Es wurde anlässlich des fünfhundertsten Zunftjubiläums gemalt. Darauf sind alle Zauberer verewigt, die hier in Hammaburg tätig sind. Sieh hin, du findest mich direkt neben Zacharias, dem trotteligen …«
»Wer ist das da in der Mitte?«, unterbrach Fi die Traumhändlerin. »Der Mann mit dem Bart, der auf dem Stuhl sitzt?«
»Na, wer schon?«, sagte die Zauberin patzig. »Unser Zunftmeister Gismo Sturmwind. Er wohnt gleich gegenüber, steht derzeit jedoch unter Hausarrest.«
Fi stöhnte, denn sie erkannte den Mann wieder. Blass drehte sie sich zu dem Däumling um. »Magister Eulertin, wenn das Gismo Sturmwind ist, ist er längst tot.«
»Wie bitte? Ich habe doch erst gestern mit ihm …«
»Ich bin ihm in der Schwarzen See begegnet. Ihr wisst schon wo!« Nur zu gut erinnerte sich Fi an den Geist des unbekannten Magiers, der in der Zwischenwelt zweimal versucht hatte, auf sich aufmerksam zu machen. Und sie hatte ihn aus Angst vertrieben.
Der Däumling erstarrte. »Bist du dir wirklich sicher?«
»Ja.«
Eulertin ächzte. »Das kann nur eines bedeuten. Finsterkrähe hat Gismo ermordet und ist mithilfe der magischen Schelmenmaske in dessen Rolle geschlüpft.«
Alpme Somnias Lippen zuckten spöttisch, doch als der Däumling sie wieder ansah, versuchte sie möglichst unbeteiligt zu wirken.
»War es Gismo Sturmwind, der das Golderlenholz geordert hat?«, fragte Magister Eulertin gefährlich leise. »Oder seid Ihr gar mit Morbus Finsterkrähe persönlich bekannt?«
»Der Hexenmeister, über den man hinter vorgehaltener Hand spricht?« Die Traumhändlerin zuckte mit den Schultern. »Den kenne ich nur dem Namen nach. Geht doch rüber und befragt den Zunftmeister – falls Ihr Euch traut.«
Eulertin schwebte drohend vor ihr Gesicht. »Sollte ich herausfinden, dass Ihr etwas mit Finsterkrähe zu schaffen habt, werdet Ihr Euch wünschen, mir nie begegnet zu sein!« Er sah zu einem der Regale auf und wies zu einer großen Schachtel. »Astrol-Pulver, sehr gut. Das stärkste Schlafmittel, das ich kenne. Nehmt es!«
»Was?«
»Nehmt es!«, befahl der kleine Zauberer. »Oder ich sorge auf andere Weise dafür, dass Ihr mir in den nächsten Stunden nicht in die Quere kommt.«
Alpme Somnia sah ihn erschrocken an und nahm wütend die Schachtel vom Regal. »Hochmut kommt vor dem Fall«, zischte sie.
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