Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
sammelst lieber die Mannschaft und machst dein Schiff zum Auslaufen klar. Ich kümmere mich um die Ruderanlage. Nikk bringt mich dann später an Bord zurück.«
Der Klabauter sah Fi zerknirscht an. »Na gut, du Mondfisch. Aber nicht, dass es später heißt, ich hätte gekniffen.« Widerwillig nahm er Fi Fellweste und Stiefel ab, warf dem Geisterschiff einen letzten wütenden Blick zu und machte sich auf den Rückweg in die Höhle.
»Dann los!« Fi schulterte den Bogen, atmete tief ein und nutzte einen dichten Nebelstreif vor der Grotte dazu, um mit Nikk zu den Klippen zu schleichen, hinter denen das Geisterschiff vor Anker lag. Sie tauchte in die Fluten ein und ignorierte die Kälte, die ihren Körper erfasste. Sie tat einige kräftige Schwimmzüge und hoffte darauf, dass die Dunkelheit und der Nebel sie vor den Blicken der Untoten verbarg. Leider hoben die Wellen sie immer wieder an und drückten sie zurück gegen die Klippen. Plötzlich wurde sie gepackt und erkannte an dem Schatten unter der Wasserlinie, dass Nikk wieder seine Meermanngestalt angenommen hatte. Von kräftigen Flossenhieben angetrieben, zog er sie mit sich durch die Wellen.
Es dauerte nicht lange und das muschelverkrustete Heck des Geisterschiffs ragte wie eine Steilklippe vor ihnen auf. Fast zwei Schritte über Fi, unmittelbar über dem gewaltigen Ruderblatt, waren von Seepocken bewachsene Fenster auszumachen. Die meisten Butzenscheiben waren blind oder herausgebrochen, sodass die glitzernde Front mit unzähligen Löchern übersät war. Wie sollte sie da hochkommen?
Nikk streckte den Kopf aus den Fluten. »Halte dich bereit«, flüsterte er, tauchte wieder ab und packte sie diesmal an den Hüften. Bevor Fi zum Nachdenken kam, fühlte sie sich von einer ungeheuren Kraft aus dem Wasser gehoben. Schnell näherte sie sich den Heckfenstern des Schiffes und griff hastig nach einem hölzernen Vorsprung, während Nikk unter ihr mit wilden Schlägen seiner großen Fischflosse auf den Wellen tanzte. Er warf ihr einen letzten aufmunternden Blick zu, dann ließ er sich nach hinten fallen und tauchte elegant ins Wasser ein.
Fi klammerte sich an der Außenverkleidung fest und hoffte darauf, dass niemand sie gehört hatte. An weiteren Holzvorsprüngen und scharfkantigen Seepocken Halt suchend, begann sie den Aufstieg. Als sie die halb zersprungene Fensterfront erreicht hatte, spähte sie durch die Löcher ins Innere. War das die Kapitänskajüte? Obwohl von den Wänden ein grünliches Glosen ausging, konnte sie kaum etwas erkennen. Schwach schälten sich die Konturen einer von der Decke hängenden Öllampe aus dem Dunkeln. Unmittelbar unter den Fenstern befand sich ein Tisch, der mit Tang bedeckt war, und neben einem wuchtigen Gegenstand, den Fi für eine vermoderte Truhe hielt, krabbelte etwas über den Boden. Sie wollte gerade weiterklettern, da hörte sie ein leises Stöhnen. Abermals riskierte sie einen Blick durch das Fenster und glaubte an der linken Seite des Raums eine Koje ausmachen zu können. Da lag doch jemand! Eine Gestalt mit langen, rötlich schimmernden Haaren, die gefesselt zu sein schien. Aber bei den schlechten Sichtverhältnissen war Fi nicht ganz sicher.
»Kssst!«, zischte Fi, doch sie bekam keine Antwort. Stattdessen knarrte es über ihr an der Heckreling und sie sah einen grinsenden Totenschädel, der argwöhnisch auf die Wasserfläche starrte. Atemlos presste sich die Elfe gegen die Schiffswand, bis der untote Seemann endlich wieder verschwand.
Fi widerstand der Versuchung, weitere Scheiben zu zerschlagen, um so ins Innere der Kajüte zu gelangen. Die Gefahr, dabei gehört zu werden, war einfach zu groß. Wer auch immer in der Kajüte lag, sie musste sich später darum kümmern.
Fi kletterte weiter nach oben und spähte beklommen unter der hölzernen Reling hindurch. Keine zwei Schritte von ihr entfernt, stand ein Skelett in Seemannskluft, das am Schwungrad einer quietschenden Winde drehte und zu der verrotteten Takelage des Schiffes aufsah. Fi schüttelte es bei diesem Anblick. Ganz in der Nähe des Gerippes befand sich das große Steuerrad mit acht Griffen. Endlich hatte der untote Matrose seine Tätigkeit beendet und stapfte eine knarrende Treppe zum Hauptdeck hinab. Von dort hörte Fi die Stimmen von Mort Eisenhand und der Sirene.
»… wird ein Schlag, mit dem der Feind nicht rechnet. Meine Streitmacht wird wie ein Hammer auf sie herabfahren.«
»Darf Mutter dabei sein?«, hechelte die Sirene. »Bitte, Mutter hat Hunger.
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