Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
sprangen auf und hetzten weiter, als ein flammender Blitz über das Hafenbecken zuckte und sich krachend an der Mastspitze eines Schiffes weiter hinten entlud. Sofort brach Feuer aus.
Fi und Nikk sprangen über Tote und Verletzte hinweg und erreichten Koggs Windjammer, der gerade aus der Truhe mit den Elixieren zwei Flaschen mit gelber Flüssigkeit fischte. Aus seinen Koboldaugen sprühte blanker Hass. Jeder Anflug von Milde war aus seinem Gesicht gewichen, sodass Fi fast Angst vor ihm bekam.
»Koggs, siehst du eine Möglichkeit, Mort Eisenhand abzulenken?«, fragte Fi.
»Dumme Frage, Elf. Ganz dumme Frage.«
»Dann werden wir euch helfen, die Klabauterin zu befreien.« Sie deutete mit dem Bogen auf die Gefangene und wandte sich Nikk zu. »Du musst sie herbringen, hörst du?«
Ungläubig musterte der Meermann den Bogen in Fis Hand. »Du schaffst das trotz der Dunkelheit?«
»Für Licht können wir sorgen«, mischte sich Koggs ein. »Bilger!«, brüllte er zum Nachbarschiff rüber. »Sind die Gluttöpfe fertig?«
Der Klabauter erschien mit blutig geschlagenem Kopf auf dem Hauptdeck seines Schiffes und schwenkte grimmig drei rauchende Tongefäße.
»Sehr gut! Fang!« Koggs warf ihm mit Schwung eine der Kristallflaschen zu. Bilger fing sie auf und entkorkte sie. »Der Meermann schwimmt zu Kiela!«, brüllte Koggs. »Wir halten ihm den Rücken frei!«
Bilger nickte und die beiden Klabauter kippten sich die Zauberelixiere in den Rachen. Koggs griff nach zwei Laternen und sprang, ebenso wie Bilger, ins Wasser.
Fi rannte zur Reling und sah trotz der Dunkelheit, wie die Klabauter lebenden Korken gleich wieder an die Oberfläche kamen und über die Wasserfläche auf den Fliegenden Albioner zuliefen.
»Nikk, du musst …« Doch der Meermann war längst ebenfalls abgetaucht. Nun kam es auf sie an. Fi versuchte sich trotz des Kampfgetümmels zu konzentrieren. Sie hob den Bogen und visierte die Gestalt unterhalb der Galionsfigur an, während Mort Eisenhand mit seinem Mondeisenarm in den Kampf zwischen Hydra und Magister Eulertin eingriff. Immerzu flackerte es in den dunklen Wolken über der Bucht auf und krachend schlugen die von ihm heraufbeschworenen Blitze nahe der Leuchtturmspitze ein. Doch für einen gezielten Schuss bedurfte es mehr Licht. In diesem Augenblick brachen an zwei Stellen des Geisterschiffes Brände aus, die für eine bessere Sicht sorgten. Koggs und Bilger hatten ihr zerstörerisches Werk begonnen. Endlich! Fi spannte den Bogen und ließ den Pfeil über das Wasser sausen. Eine glühende Funkenspur hinter sich herziehend, durchschlug das Gorgonengeschoss den Strang, mit dem die Klabauterin am Bug gefesselt war. Die kleine Gestalt stürzte in die Fluten. Doch was war das? Die verdammte Galionsfigur erwachte mit einem rasselnden Laut zum Leben, starrte zum Ufer und breitete ihre Schwingen aus. Bei allen Schattenmächten, das war keine Galionsfigur. Das war eine Gargyle!
»Skelette! Da im Wasser sind Skelette!«, tönte es hinter ihr auf dem Steg. Wie zuvor die Humeriden kletterten jetzt überall klappernde Knochengestalten mit Säbeln und Entermessern bewaffnet ans Ufer und gingen ohne Umschweife auf die Matrosen los. Die Seeleute mussten eine zweite Angriffswelle abwehren und jetzt trieb sich über ihnen auch noch eine verdammte Gargyle herum.
Wo war das Ungeheuer überhaupt?
Zu ihrem Entsetzen erblickte Fi das geflügelte Monster über dem Hauptmast von Bilgers Schiff. Die Gargyle riss soeben einen Bogenschützen aus dem Krähennest und schleuderte ihn in die Tiefe. Sie schnaubte triumphierend und stierte gierig auf die übrigen Seeleute hinab. Fi schoss einen Pfeil auf das Ungeheuer ab. Trotz des vielen Lärms glaubte sie, einen dumpfen Schlag zu hören. Doch der Körper der Gargyle war hart wie Stein. Der Treffer schüttelte sie zwar durch, vermochte sie aber nicht zu verletzen. Die Schattenkreatur brüllte und suchte zornig nach dem Schützen.
Fi sprang zurück auf die Hafenmole und rannte. Sie wusste jetzt, was sie zu tun hatte. Mit einem gezielten Schuss schickte sie einen weiteren Humeriden zu Boden, rammte eines der fürchterlichen Skelette beiseite, das seltsamerweise nicht kämpfte, sondern eine Kiste in Richtung Hafenbecken zerrte, und hetzte die Stufen eines hohen Hafengebäudes hinauf. Hinter ihr am Kai war das Kreischen der Gargyle zu hören. Das Mistvieh suchte nach ihr. Fi stürmte im Inneren des Gebäudes eine Wendeltreppe hoch und erreichte einen Balkon im oberen Stockwerk. Von
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