Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
zu speien. Doch diesmal stellten sich ihnen die Luftelementare in den Weg. Sie schlossen sich zu brausenden Schilden zusammen, die den heißen Dampf wie eine Flutmauer abhielten. Mehrere Säuselgeister vergingen unter jammernden Lauten, der Rest hielt stand. Von jenem Damm, auf dem sich Berchtis’ Leuchtturm erhob, sausten bereits weitere Windsbräute heran. Befand sich dort Magister Eulertin? Natürlich, im Zweifel stellte der Turm den letzten Verteidigungsposten dar. Die Hydra stieß ein infernalisches Gebrüll aus. Unentwegt spie sie kochenden Dampf und ging jetzt auf den Damm los.
Am Ufer waren erneut erbitterte Kämpfe ausgebrochen und Fi entdeckte Nikk, der drei Seeleuten dabei half, einen weiteren Humeriden niederzuringen. Fi schoss im Laufen einen Pfeil ab und bereitete dem ungleichen Kampf ein Ende.
»Nikk, was ist das für eine Kreatur?« Hektisch deutete sie in Richtung des riesigen Seemonsters.
Der Meermann, der wieder Elfengestalt angenommen hatte, ließ erschöpft den Dreizack sinken. »Wie Koggs schon sagte: eine Hydra! Eigentlich gibt es sie nur noch in den Dschinnenreichen. Die einzige, die jemals im Nordmeer ihr Unwesen trieb, wurde schon vor langer Zeit von uns eingefangen und in den Flutenkerker gesperrt.« Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Diese verdammten Biester sind stolz und dulden keine Herren über sich. Ich begreife nicht, wie Morgoya eine von ihnen auf ihre Seite ziehen konnte.«
»Das klären wir später. Eulertin braucht unsere Hilfe!« Schon rannte Fi in Richtung Damm, als sie sah, dass nicht der Magier das Ziel des Ungeheuers war. Die Hydra begann vielmehr damit, mit ihrem Schlangenleib den Leuchtturm zu umwickeln.
»Oh nein!«, rief Fi. »Sie versucht, den Turm zum Einsturz zu bringen!«
Die drei Häupter der Hydra hatten inzwischen die Plattform des Leuchtturms erreicht und im silbernen Schein des Leuchtfeuers war zu erkennen, wie sich die riesigen Reißzähne am Geländer festbissen. Doch die Hydra schaffte es nicht, das Licht zum Erlöschen zu bringen. Enttäuscht heulten die drei Köpfe auf.
Nikk lachte gehässig. »An dem Turm beißt sich selbst dieser Drache die Zähne aus.«
Aber die Hydra wechselte die Taktik. Der massige Schlangenleib legte sich jetzt wie eine übergroße Taurolle um die Kuppel und verhüllte damit das Licht des Leuchtturms. Immerzu griffen Luftelementare an, doch die Hydra ließ sich nicht beirren. Schlagartig wurde es dunkel über der Hafenlagune.
Der helle Klang einer Schiffsglocke fuhr Fi durch Mark und Bein und vom Nordmeer wallte dunkler Nebel auf. Fi starrte entgeistert zum Eingang der Lagune, denn aus dem Nebel brach jetzt ein grünlich leuchtendes Schiff mit zerrissenen Segeln hervor: der Fliegende Albioner! Unter Mort Eisenhands lautem Hohngelächter schob sich das Geisterschiff in den Hafen.
»Bei allen Schattenmächten, wie hat es dieser Mistkerl bloß geschafft …?« Fi blieben die Worte im Hals stecken, als ihr Blick auf die grässliche Galionsfigur fiel. Unter ihr hing kopfüber und mit Tauen gefesselt eine weibliche Gestalt mit langen, rot schimmernden Haaren.
»Ist das diese Klabauterin? Kiela Schotbruch?« Fi erinnerte sich plötzlich wieder an den Gefangenen, den sie in der Kapitänskajüte des Geisterschiffes gesehen hatte. Hatte Bilger die Klabauterin nicht als Feuerqualle bezeichnet? War das eine Anspielung auf ihre Haare? Fi wurde von Schuldgefühlen erfasst. Wäre sie nicht so mit sich selbst beschäftigt gewesen, hätte sie längst daraufkommen können. Dann wäre ihnen auch klar gewesen, dass Mort Eisenhands geplanter Angriff Jada’Maar galt. Nur, was wollte der untote Pirat in der Elfenstadt?
Wutgeheul wurde in der Lagune laut. Längst hatten die Klabauter die neue Gefahr und die gefesselte Klabauterin erkannt.
»Nikk, ich brauche dich!«, rief Fi. Gemeinsam rannten sie zu Koggs’ Schiff hinüber. Unterdessen legte sich das Geisterschiff auf die Seite und längs der muschelverkrusteten Bordwand klappten die Geschützpforten hoch. Nur einen Augenblick später feuerte die Geistermannschaft eine volle Breitsalve auf die vor Anker liegenden Schiffe ab.
»Deckung!« Fi und Nikk warfen sich der Länge nach auf den Boden und mussten mit ansehen, wie schräg hinter ihnen das Schiff von Kojer Stapellauf in Trümmer gelegt wurde. Die Masten knickten um und Holzsplitter prasselten auf die Kämpfer am Ufer herab. Am Himmel ballten sich schwefelgelbe Wolken zusammen und ein erstes Donnergrollen war zu hören.
Fi und Nikk
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