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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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geleistet.
    Auf jeden Fall wusste ich sofort, was geschehen würde. Während meine Mitwartenden ergeben die unzähligen Lampen der Ampelanlage beobachteten, sprang ich zurück. Unmittelbar vor mir durchbrach der Bus die Absperrung, riss die Ampel mitsamt ihren Masten um und erfasste die kleine Menschengruppe, zu der Sekundenbruchteile zuvor auch ich gehört hatte. Vier Tote waren zu beklagen, entnahm ich später dem Lokalteil der Zeitung. Es war nicht das erste Unglück dieser Art, und wieder einmal wurden die fahrerlosen Busse auf das Heftigste kritisiert.

4 . Kapitel
    Am nächsten Tag kam ich erst um die Mittagszeit ins Büro. Der Zwischenfall vom Vortag hatte mich tief verunsichert. Hatte ich mir bis dahin eingebildet, mein unterschwelliges Gefühl, verfolgt und bedroht zu werden, sei lediglich Ausdruck einer harmlosen Paranoia, war mir mit dem außer Kontrolle geratenen E-Bus eindringlich vorgeführt worden, dass die Bedrohung real war, hier in der wirklichen Welt auf mich lauerte und nicht nur in meinem Kopf.
    Oder stellte ich Zusammenhänge her, die es nicht gab, bezog ich Ereignisse auf meine Person, die mit mir nichts zu tun hatten? Vielleicht war der E-Bus ja zufällig verunglückt, und mein latenter Verfolgungswahn meinte, mich als Ziel einer sorgfältig inszenierten Aktion erkannt zu haben. Allerdings war es schwer, sich nicht als Ziel zu sehen, wenn ein tonnenschweres Ungetüm genau auf einen zuraste.
    Wer aber hätte den Bus auf mich lenken sollen? Und wie? Durch einen Eingriff in die Verkehrsleitzentrale der Stadt Heidelberg? Vermutlich bestanden unzählige Sicherungen, die einen derartigen Angriff verhinderten. Und selbst, wenn man sich in das System gehackt hätte, es gab sicherlich auch Vorkehrungen, die ein Abweichen von der Strecke gar nicht zuließen. Schließlich war es auch unmöglich, eine Ampel so zu schalten, dass alle Grün hatten. Nüchtern betrachtet, erschien die Hypothese, der Unfall sei ein Anschlag gewesen, äußerst unwahrscheinlich.
    Doch wie plausibel war Blinzles Tod, das Verschwinden Bogdans? Hatten beide zu viel gewusst, und waren deshalb aus dem Weg geräumt worden? Drohte mir dasselbe Schicksal? War der Bus eine letzte Warnung?
    Diese Fragen hatten mich die halbe Nacht gequält. Erst am frühen Morgen war ich in einen kurzen und traumlosen Schlaf gefallen. Weitere Stunden hatte ich mit meiner Angst gerungen, hinaus auf die Straße zu gehen. Unzählige Gefahren lauerten dort auf mich. Die ganze Welt war zu einer riesigen und unübersehbaren Gefahrenquelle geworden. Jeder Mensch, jedes Fahrzeug, selbst ein loser Ziegel, der von einem Hausdach fiel, konnte mich töten.
    Woher ich die Kraft nahm, schließlich doch hinaus zu gehen und die S-Bahn nach Ziegelhausen zu nehmen, weiß ich nicht. Vielleicht ahnte ich, dass ich andernfalls nie wieder das Haus würde verlassen können. Und außerdem, wie sicher war ich in meinen eigenen vier Wänden? Gab es nicht auch hier unzählige Möglichkeiten, mich ins Jenseits zu befördern?
     
    Vor dem Sinex-Hochhaus war die Menge der Demonstranten angewachsen. Zu den unmittelbar betroffenen Interviewern hatten sich allerlei andere Gestalten gesellt, die ihren Unmut lautstark zum Ausdruck brachten. Insgesamt schien mir die Stimmung gereizter geworden zu sein, aggressiver. Ein Funke mochte genügen, um einen gewalttätigen Ausbruch zu verursachen.
    Glücklicherweise erkannte mich auch an diesem Tag niemand. Nicht einmal die Polizisten, die mit einer ganzen Hundertschaft angetreten waren, um das Haus zu schützen. So musste ich mich biometrisch ausweisen, um hineingelassen zu werden. Ein Prozedur, die ich in diesem Augenblick gerne auf mich nahm.
    Erleichtert, den wütenden Mob hinter mich gelassen zu haben, fuhr ich hinauf zu meinem Büro. Auf dem Gang begegnete mir niemand, und ich beeilte mich, die Tür hinter mir zu schließen. Wie in vielen amerikanisch inspirierten Unternehmen war es auch bei uns Brauch geworden, die Bürotüren einladend weit offen stehen zu lassen. Wenn jemand aber seine Ruhe wollte, dann schloss er seine Tür, was von den Kollegen in der Regel respektiert wurde.
    Ich brauchte Ruhe und ich brauchte Zeit, um einige Nachforschungen anzustellen.
    Zuerst rief ich das Personalverzeichnis der Sinex AG auf. Natürlich waren mir nicht alle Informationen zugänglich, aber zumindest Namen, Position und grundlegende Daten sollte ich einsehen dürfen.
    Unsere Gesellschaft hatte weltweit etwa 3000 Beschäftigte, die meisten davon in

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