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Der Sixtinische Himmel

Der Sixtinische Himmel

Titel: Der Sixtinische Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Morell
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zusammenschnürten. Es wäre nicht gut, an diesen Ort zurückzukehren. Außerdem, das war ihm inzwischen klargeworden, fühlte sich der Ort seiner Kindheit und Jugend nicht mehr an wie sein Zuhause.
    * * *
    Anfang Januar kehrte Michelangelo zurück, beladen mit mehr Sorgen als bei seinem Aufbruch. Seine größte Sorge jedoch galt seinem Gehilfen: »Aurelio, Aurelio!«, rief er, noch ehe er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Aurelio hatte nicht einmal Gelegenheit, von seinem Schemel aufzustehen, da stürmte sein Meister bereits in die Küche. »Ist dir auch nichts geschehen?«
    »Was hätte mir geschehen sollen?«, lachte Aurelio.
    Vor Erleichterung hellte sich Michelangelos Gesicht auf. »Ich weiß auch nicht. Guten Tag, Beato …«
    Seine Reise war zu einem Fiasko geraten. Bereits in Florenz hatte es seinen Anfang genommen. Als er bei seiner Bank vorstellig wurde, um sich über den nicht erfolgten Geldtransfer zu beschweren, erklärte man Michelangelo kurzerhand, dass praktisch kein Geld mehr auf seinem Konto war. Bis auf zwölf Dukaten war alles weg. Der Ohnmacht nahe, trommelte Michelangelo seine Familie zusammen. Es stellte sich heraus, dass es seine Brüder Buonarroto und Giovan Simone gewesen waren, die mit dem Einverständnis ihres Vaters das Konto des Künstlers geleert hatten. Sie hätten das Geld in eine Unternehmung »investiert«, erklärte Giovan Simone mit leuchtenden Augen. Michelangelo mochte sich gar nicht vorstellen, was das bedeutete. Ausgerechnet dieser Nichtsnutz hatte sein, Michelangelos, hart erarbeitetes Geld kurzerhand »investiert«. Und sein Vater hatte brav das Konto leergeräumt.
    Sie hätten sich das Geld doch lediglich geborgt, versuchte Buonarroto ihn zu beschwichtigen. Sie waren nämlich dabei, ins Tuchgeschäft einzusteigen, und zwar im großen Stil. Für einen Spottpreis hatten sie eine ganze Schiffsladung bester indischer Seide geordert. Die würden sie in Florenz färben lassen und mit astronomischem Gewinn verkaufen. Das Schiff war bereits unterwegs. Innerhalb eines Jahres würde Michelangelo sein Geld doppelt zurückerhalten. Warum sie ihn nicht um Erlaubnis gefragt hatten? Nun, hätte er eingewilligt? Da siehst du es, Bruder.
    Strenggenommen sogar selbst schuld an der Situation war Michelangelo. Was tauchte er auch so plötzlich in Florenz auf, noch dazu unangemeldet? Damit konnte schließlich niemand rechnen. Sie hatten ihn nicht beunruhigen wollen, nur deshalb hatten sie es ihm verschwiegen. Wäre Michelangelo wie geplant bis zum Abschluss der Arbeiten in Rom geblieben, hätte er nur deshalb von ihrer Unternehmung erfahren, weil sich das Geld auf seinem Konto während seiner Abwesenheit auf wundersame Weise vermehrt hätte! Wie dem auch sei, bald würden Michelangelos Sorgen um die Familie ein Ende finden. Vier Tage lang hatte Michelangelo daraufhin keinen Bissen herunterbekommen und keine Stunde geschlafen. Dann war er nach Bologna aufgebrochen.
    Dort kam es noch schlimmer. Der Papst war ein Bild des Jammers. Ausgezehrt von seiner Krankheit und gleichzeitig in höchster Erregung wegen seines unfähigen Neffen, lag er auf goldbestickte Kissen gebettet und fuchtelte fahrig mit den Armen herum. Er hatte sich einen Bart wachsen lassen und geschworen, ihn erst wieder abzunehmen, nachdem er die Barbaren endgültig aus Italien vertrieben hätte. Ein Papst mit Bart, der seine eigenen Truppen ins Feld führte!
    Nicht einmal während Michelangelos Audienz durfte Aphrodite Julius’ Gemach verlassen. Sie saß, verborgen unter ihrem weißen Schleier, in einer Ecke und rührte sich nicht. Ihre Blicke jedoch brannten Michelangelo Löcher in den Nacken. Die ganze Zeit über konnte er an nichts anderes denken, als dass er tiefer in ihre Seele geblickt und ihren Körper erkundet hatte, als es Julius, dieses bärtige Häufchen Elend, jemals könnte.
    Der Papst hatte den Bildhauer schließlich vertröstet. In wenigen Tagen schon werde Ferrara sich seinen Truppen ergeben, anschließend müsste er Alfonso nur noch den Kopf abschlagen, um befriedigt nach Rom zurückzukehren. Binnen eines Monats werde er wieder in seinen Palast einziehen, dann würde er sich um alles kümmern. Michelangelo hatte gedrängt, gedroht, gezetert, doch es hatte nichts geholfen. Am Ende hatte Julius mit zittriger Hand seinen gefürchteten Stock ergriffen und damit in der Luft gerührt. Da wusste Michelangelo, dass alle Bemühungen nicht fruchten würden und seine beschwerliche Reise umsonst gewesen war. Resigniert

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