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Der Sixtinische Himmel

Der Sixtinische Himmel

Titel: Der Sixtinische Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Morell
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antwortete, dass es an ihm, Piero, sei, das herauszufinden. Rosselli lächelte: »Sofern er willens ist zu arbeiten, wird es sich finden.«
    Rosselli fühlte sich durch Michelangelos Freundschaft geadelt. Die Verehrung, die er dem Schöpfer des David entgegenbrachte, zeigte sich allenthalben. Michelangelos erste Skizzen für die Sistina in Händen, sagte er: »Ich bezweifle, dass deine Schöpferkraft irgendwo auf der Welt ihresgleichen hat.«
    Michelangelo kommentierte Rossellis Bemerkung mit einem Schnaufen. »Was nutzt mir das, wenn sie missbraucht wird, um den Fresken von sechs Florentiner Künstlern ein siebtes hinzuzufügen.«
    »Angesichts dieser Entwürfe würde wohl niemand auf die Idee verfallen, von Missbrauch zu sprechen. Sag mir: Wie lebt es sich mit einem Kopf, in dem das ganze Jahr über ein Jahrmarkt der Ideen herrscht?«
    »Ich wünschte, es wäre ein Jahrmarkt«, klagte Michelangelo. »Es ist jedoch Krieg, mein Lieber, Krieg.«
    Rosselli hielt eine Skizze in die Höhe wie ein Beweisstück. »Und ich wünschte, dieser Krieg würde in meinem Kopf toben.«
    Als Nächstes inspizierte Piero die Küche. Was er dort vorfand, ließ ihn die Brauen hochziehen. »Was willst du hiermit schneiden?«, fragte er, während er mit dem Daumen die Klinge des einzigen Messers prüfte. »Selbst einer Aubergine könntest du mit so etwas nicht zu Leibe rücken. Ich werde uns ein Stufado kochen«, entschied er. »Aber vorher gehen wir zu einem Scherenmacher und lassen uns dieses Messer schärfen.«
    Während sie einkauften und einen Scherenmacher aufsuchten, versorgte Piero seinen Freund mit Neuigkeiten aus Florenz, gab ihm einen Brief seines Vaters und berichtete von den Fortschritten, die Granacci bei der Suche nach geeigneten Gehilfen für das Projekt machte.
    »Du bist sicher, dass du keinen Künstler aus Rom in die Bottega aufnehmen willst?«, fragte Rosselli, als sie beim Forbiciaio darauf warteten, ihr Messer zurückzubekommen.
    »Bevor ich es so weit kommen lasse«, gab Michelangelo zur Antwort, »lege ich mich auf den Rücken und male das Gewölbe mit Händen und Füßen gleichzeitig aus.«
    * * *
    »Was schreibt er?«, fragte Rosselli.
    Sie saßen in der Küche, wo Piero das Stufado vorbereitete.
    Michelangelo faltete den Brief seines Vaters zusammen und steckte ihn in den Umschlag zurück. »Das Übliche.«
    »Er bittet dich um Geld.«
    Michelangelo zog die Schultern hoch. »Bitten geht anders.«
    Rosselli setzte das frisch geschärfte Messer ab und legte seine Stirn in Falten. Der Bewunderung, die er Michelangelo entgegenbrachte, war Mitgefühl beigemischt. »Jahrelang wirft er dir vor, den Namen der Familie zu besudeln, weil er meint, dass du einer entehrenden Arbeit nachgehst, und jetzt, wo du gutes Geld mit dieser ehrlosen Tätigkeit verdienst, hat er nichts anderes im Sinn, als möglichst viel davon an sich zu bringen.«
    »Ja, aber an der Schande, die ich in seinen Augen über die Familie bringe, hat sich nichts geändert. Immerhin: Meine Brüder sind gesund und lassen mich grüßen.«
    »Was ist mit Giovan Simone?«
    »Auch das Übliche.«
    Rosselli nahm sich den Speck vor. »Geld.«
    »Schlimmer. Er erwartet, dass ich ihm in Rom eine Stelle verschaffe – hier, zwischen Priestern, Pilgern und Prostituierten. Was für eine Stelle soll das sein, frage ich dich? Alles, was er kann, ist mein Geld ausgeben. Dafür muss er nicht nach Rom kommen.« Michelangelo ließ den Umschlag auf den Tisch fallen und blickte ihn traurig an. »Lass uns lieber über das Gerüst reden«, sagte er schließlich.
    »Welches Gerüst?«
    Michelangelo berichtete von dem Treffen mit Bramante und Julius und wie er sich dazu hatte hinreißen lassen, dem Papst so leichtfertig das Versprechen zu geben, in zwei Tagen ein neues Gerüst zu ersinnen, das dem Bramantes überlegen sein würde.
    »Das sieht dir ähnlich.« Piero wirkte nachdenklich.
    »Es muss möglich sein – ich habe es versprochen.«
    »Du willst ein Gerüst, das sich selbst trägt und vierzig Fuß überspannt – und das in einer Höhe von sechzig Fuß?«
    »Über dem ersten Gesims ist die Kapelle noch etwas breiter.«
    Rosselli erhob sich. Er hatte den Speck in Würfel geschnitten und gab ihn in den Topf, der bereits auf der Feuerstelle stand und ein kämpferisches Zischen von sich gab. »Darf ich fragen, wie das gehen soll?«, fragte er über die Schulter.
    »Ich dachte, das sagst du mir.«
    Rosselli gab die gespickten Ochsenschwanzstücke hinzu. Sofort füllte sich

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