Der Skandal (German Edition)
dem Display.
Zwei sind Handynummern.
Sie speichert sie auf ihrem Handy und geht zum Schreibtisch zurück. Sie überfliegt die Titel seiner Dokumente. Einer fällt ihr sofort ins Auge: Die schmutzigen Minengeschäfte des Gouverneurs Carl H. Ochs.
Sie nimmt einen Stick und speichert das Dokument.
Irgendetwas passt nicht ins Bild, das sie sich von Springsteen gemacht hat. Dann weiß sie auch, was es ist: Auf dem Schreibtisch liegt eine Bibel. Eine einfache Taschenbuchausgabe.
Sie nimmt Notebook und Bibel, lässt ihren Blick noch einmal durch den Raum wandern, greift dem Toten in die Taschen seines Blousons und findet den Autoschlüssel, dann geht sie nach draußen und schließt das fremde Auto auf. Es dauert nicht lange, bis sie im Handschuhfach die Zulassung und den Führerschein findet. Der Wagen gehört der Republikanischen Partei. Auf dem Rücksitz liegen Stapel von Wahlbroschüren: I Stay with Governor Carl H. Ochs .
»Scheiße«, murmelt sie.
Dann fällt ihr wieder der dunkle Blouson mit den Abzeichen auf der Schulter ein. Eine Uniform, hat Tana gesagt …
Sie ist noch wach. Das zu wissen tut ihm gut, es ist wie Balsam. Bevor er zu ihr ins Schlafzimmer geht, gießt er sich allerdings einen ordentlichen Whisky ein. Vielleicht ist es auch eine Verzögerungstaktik. Er ist nicht mehr in Stimmung.
Er trinkt zwei Gläser, schließt die Augen und versucht die Bilder zu vertreiben, aber es gelingt ihm nicht. Irgendetwas zieht ihn zum Fenster. Tony ist längst weggefahren. Die Stelle, wo dieser kleine Scheißer gelegen hat, kann man von hier aus nicht sehen. Niemand – auch Kirsten nicht – hätte etwas mitbekommen können.
Langsam lässt er den Rest Whisky die Kehle hinunterlaufen, als könnte er damit auch alles Geschehene hinunterspülen. Warum ist dieser Kerl überhaupt aufgetaucht? Anstatt dass alle an diesem großartigen Bauwerk – Kathedrale , so hat Muller es sehr treffend bezeichnet, so etwas kann sie – mitwirken und sich fühlen wie eine große Gemeinschaft, fällt solchen Typen wie Springsteen nichts anderes ein, als zu zerstören, Steine, die die anderen in unerschütterlichem Glauben und unter großen Mühen und Entbehrungen herangeschafft haben, wieder aus der Mauer herauszureißen. Was geht vor in solchen Menschen? Da hat selbst sein Vater nur eine simple Antwort parat gehabt: Neid. Diejenigen, die kein Geld haben, sind neidisch auf die, die Geld haben – und sie bekämpfen sie, wann und wo immer sich die Gelegenheit bietet …
Kirsten liegt im Bett und liest. »Ich hab nicht mehr mit dir gerechnet, Darling. Ist alles okay?« Sie legt den Reader zur Seite.
Er versucht sein typisches Grinsen. »Ich musste mir nur ein paar Stunden Schumann anhören!« Er steht immer noch in der Schlafzimmertür und sieht sie auf die spezielle Art und Weise an, wie er nur sie ansehen kann. Er lockert die Krawatte. Sie trägt wieder diesen dünnen Fummel, der ihre Haut verführerisch durchschimmern lässt und so locker gebunden ist, dass ihm ihre üppigen Titten entgegenspringen. Aber er zögert.
»Ist was passiert?«, fragt sie.
»Nein …« Er zieht das Jackett aus und wirft es über die Stuhllehne. Hoffentlich kann er alles andere jetzt endlich vergessen. Er will sich auf sie stürzen. Er weiß, dass sie es mag, so von ihm genommen zu werden. Hart und ohne Vorspiel. Aber er fühlt sich verloren.
Langsam lässt er sich auf die Bettkante sinken. Als sie sich vorbeugt und den Arm um ihn legt, treten ihm beinahe Tränen in die Augen. »Tut mir leid, war ein anstrengender Tag.« Er bringt so etwas wie ein Lächeln zustande, steht wieder auf und geht ins Bad, um zu duschen. Er hat die Beherrschung verloren. Vollkommen.
Nicht einmal zwanzig Minuten sind vergangen, als Christina in Mullers Mercedes steigt. Sie zittert, ist durchgefroren vom Warten und registriert dankbar, dass Muller die Sitzheizung anstellt. Eingehüllt in den Duft von Leder und Mullers Parfum, kommt ihr das, was gerade passiert ist, unwirklich vor. Aber ihre Glieder schmerzen vom Kampf, der Puls hämmert in ihrem Kopf, und ihre linke Hand fühlt sich taub an.
»Der Chauffeur des Gouverneurs also?«, sagt Muller. »Wissen Sie, dass ich noch vor ein paar Stunden mit dem Gouverneur gesprochen habe?«
»Es war Notwehr«, sagt Christina und gibt Muller die Plastiktüte mit der Pistole.
»Sie werden übrigens verdächtigt, Brad Whitner umgebracht zu haben.«
»Das ist doch absurd!« Wirklich? Ist das wirklich so absurd?, denkt Christina und
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