Der Skandal (German Edition)
den Arm auf den Rücken gedreht. »Wo steht Ihr Wagen, Mr. Springsteen?«
Mit Abscheu sieht Springsteen Ochs an, aber gegen Tonys Griff ist er machtlos. Zwischen zusammengebissenen Zähnen zischt er: »Sie glauben, Sie können sich alles erlauben, oder?«
Ochs lacht. »Mr. Springsteen, machen Sie sich doch einfach mal einen schönen Abend.« Er greift in seine Hosentasche, in der er immer ein paar Scheine hat. »Gehen Sie was Anständiges essen, und genehmigen Sie sich ein paar Drinks.« Mit einem wohlwollenden Lächeln stopft er Springsteen die Scheine in die Parkatasche. »Vielleicht nehmen Sie noch ’ne kleine Freundin mit.« Ochs zwinkert ihm zu. »Das bringt Sie auf andere Gedanken.«
Springsteen zieht zischend die Luft ein. »Ich will Ihr dreckiges Geld nicht, Mr. Ochs! Sie glauben, Sie können sich alles kaufen! Und in Ihrer Selbstherrlichkeit sehen Sie gar nicht, dass die Menschen im Land schon längst wissen, was Sie sind: ein korrupter, bigotter Diktator. Ich …«
Da schlägt Ochs zu, direkt in den Magen.
Der Schmerz nimmt Springsteen die Luft zum Schreien. Ochs gibt Tony ein kurzes Zeichen, worauf der Springsteen ein paar Schritte weiter in eine dunkle Hausecke schleift. Dann hört Ochs nur noch dumpfe Schläge. Wenig später kommt Tony zurück und gibt Ochs ein Handy.
Der Wichser hat ihr Gespräch doch glatt aufgenommen! Mit wenigen Schritten ist Ochs in der dunklen Hausecke. Er tritt zu, tritt diesem Schwein in die Rippen, dass der noch nicht mal mehr jaulen kann. »Du mieses kleines Stück Dreck! Solche Typen wie ihr machen unser ganzes Land kaputt! Du bist doch nur neidisch, weil du in einem dunklen Loch haust und billige Schlampen vögelst!« Das Stöhnen und Wimmern macht ihn nur noch wütender. »Du kleine Ratte, du elender Schmarotzer!« Ein letzter Tritt, dann spürt er, wie Tony ihn wegzieht. Aus der Dunkelheit kommt nur noch ein Röcheln …
Plötzlich ist es, als würde er aufwachen. Er schüttelt den Kopf, vielleicht kann er das dumpfe Gefühl dadurch loswerden. Aber es gelingt ihm nicht.
Er muss unbedingt Frank anrufen. Aber Frank geht nicht ran.
»Tony?«, sagt Ochs.
»Ja, Sir?«
»Erledige die Sache. Danach fährst du in seine Wohnung und nimmst seinen Computer mit. Lass es wie einen Einbruch aussehen.«
Tony nickt und verschwindet in der Dunkelheit. Vielleicht ist es ganz gut, dass Frank nicht rangegangen hat, denkt Ochs noch.
Dann blickt er hinüber auf die andere Straßenseite. Das Licht in ihrem Apartment ist angeschaltet. Langsam, nicht mehr mit dem Elan von vorhin, geht er los und überquert die Straße. Die wenigen Meter, hofft er, werden ausreichen, damit sein Kopf wieder klar wird und er sich besser fühlt – als würde er mit der Straßenseite auch vom Schatten ins Licht wechseln. So hat es immer funktioniert. Aber diesmal gelingt es ihm nicht. Irgendetwas in ihm ist angeschlagen – und er weiß nicht, warum.
Christina wartet immer noch auf den Anruf von Springsteen. Inzwischen hat sie im Internet ein paar Informationen über ihn gefunden. Er scheint ein mittelmäßiger Journalist zu sein, der vor allem für Zeitungen arbeitet. Sie fragt sich, von welchen Hinweisen er gesprochen hat – und wieso er sie anruft und nicht die Polizei. Die Nachtschwester hat gerade nach Jay gesehen und Christina ein Kissen gebracht. Jay schläft tief. Es geht ihm besser, und bald kann er nach Hause, hat Dr. Joffe ihr gesagt. So viel geht ihr im Kopf herum, dass sie nicht darüber nachdenken muss, wie es gewesen wäre, wenn der Mörder nicht nur Tim getötet hätte, sondern auch Jay. Es kommt immer noch vor, dass sie aufwacht und vergessen hat, dass Tim nicht mehr lebt. Warum haben sie sich nicht viel öfter getroffen? Haben sie geglaubt, sie würden ewig leben? Ein paarmal schon hat sie den Gedanken gehabt, wie es wäre, wenn sie aufhören würde bei der Polizei. Jay zuliebe. Und vielleicht auch sich selbst zuliebe. Sie weiß aus bitterer Erfahrung, dass jeder Fall Spuren hinterlässt, auch wenn man es nicht zugibt. Springsteen fällt ihr wieder ein.
Sie weiß, wer ihr helfen kann, und so dauert es nicht lange, bis sie Springsteens Adresse und seine Handynummer hat. Aber er geht nicht ran.
Sie überlegt kurz, dann steht sie auf, geht hinaus und schließt leise die Tür hinter sich.
Das Viertel Polonia liegt im Süden der Stadt. Langsam fährt Christina über eine der verschneiten Straßen und hält Ausschau nach der Nummer 145.
Hier brennen nur noch wenige Laternen, und läge
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