Der Skandal (German Edition)
wir den Leuten hier?« Er sieht sich um und lächelt den Veranstaltern zu, die Namen hat Ruth vergessen. Sie will sich gerade einen Satz zurechtlegen, da erhält sie auf ihrem Handy eine Nachricht.
Adam sieht sie besorgt an. »Was Ernstes?«
Die Nachricht könnte kaum ernster sein, denkt sie und sagt: »Brad Whitner.«
»Der mit seiner Gruppe die Autoreifen aufgestochen hat?«
»Angeblich. Er hat sich nie dazu bekannt …«
»Und, was ist mit ihm? Protestiert er jetzt gegen unser Projekt in Ashland?«, sagt er ein wenig belustigt, wie es oft seine Art ist.
Aber diesmal lächelt sie nicht darüber.
»Er wurde erschossen.«
Ochs macht sich nach dem Kammermusikabend gleich auf den Weg zu Kirsten. Erleichtert lässt er sich auf den Rücksitz seiner Limousine sinken. Der Whisky steht schon bereit. Glenmorangie Signet , die Flasche für hundertfünfzig Dollar. Den ersten Schluck genießt er wie eine Erlösung. Kammermusik von der CD, zu Hause im Sessel vor dem Kamin, weiß er durchaus zu schätzen, aber so, mit Publikum, ist es nicht gerade das, was er freiwillig und gern macht. Tausend Gedanken ziehen ihm wie Nebelschwaden durch den Kopf und lassen ihn kurz einnicken.
Tony ist diskret, und wenn sie zu Kirsten fahren, redet er kaum. Er tut quasi so, als wäre er gar nicht da, und das schätzt Ochs.
Doch diesmal merkt er, wie Tony immer wieder kurze Blicke in den Rückspiegel wirft. Als Ochs sich umdreht, wird er von Scheinwerfern geblendet.
»Folgt uns einer?«
»Er ist seit Jacob’s House hinter uns«, sagt Tony.
»Ist wahrscheinlich auch eingeladen gewesen.« Ochs dreht sich wieder nach vorn. Ihm geht das Gespräch mit Muller nicht aus dem Kopf. Wie hat Milosz sie genannt? Ehrgeizige Zicke? Das ist noch milde ausgedrückt. Die geht doch über Leichen, wenn sie sich einen Vorteil davon verspricht. Man muss sich nur ihren Mann ansehen, diesen blassen Genießer. Ein Mann ohne Rückgrat – dem geht’s doch nur um seine Kunst.
»Was soll ich tun?«, fragt Tony.
»Ist er immer noch hinter uns?«
»Es sieht ganz so aus.«
»Fahr einen Umweg. Nimm eine schmale Nebenstraße, wenn er uns dann immer noch folgt …«
Tony nickt und setzt den Blinker.
Sollte irgendjemand das mit ihm und Kirsten herausbekommen haben? Das würde ihm gerade noch fehlen. Einer von diesen dämlichen Paparazzi, der ihm seinen Wahlkampf versaut.
Ochs beugt sich nach vorn.
»Und, was macht er, kommt er nach?«
»Nein, Sir«, sagt Tony. »Es ist keiner mehr hinter uns.«
Ochs atmet auf.
»Es tut mir leid, aber …«
»Schon gut, Tony. Man kann nicht vorsichtig genug sein.«
Bis zum Apartment von Kirsten in der Van Buren Street herrscht wieder das gewohnte Schweigen zwischen ihnen.
Tony fährt langsam an den Bordstein.
»War ein langer Tag. Fahr nach Hause, Tony.« Ochs klopft ihm von hinten auf die Schulter und steigt aus. Noch bevor er die Tür zuwirft, hört er eine Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkommt.
»Einen schönen guten Abend, Gouverneur Ochs! Was für eine herrliche Nacht, nicht wahr?«
Ochs fährt herum. Der Mann schiebt die Kapuze von seinem Parka nach hinten.
Dieser Journalist! »Was machen Sie denn hier?«, sagt Ochs so ruhig wie möglich.
»Oh, ich bin zufällig hier, ganz zufällig …« Dass der Journalist grinst, kann Ochs nur an dessen Mund sehen, der weiße Verband klebt über der Nase, und die dämliche Brille verdeckt die geschwollenen Augen. Blau und gelb unterlaufen wahrscheinlich, aber das kann Ochs in dem spärlichen Licht, das von einer Laterne herüberfällt, nicht so richtig sehen.
»Passen Sie auf … Springsteen, so heißen Sie doch, oder?« Ochs tritt ganz nah an ihn heran. Dass er größer ist, macht die Sache besser – Springsteen weicht einen Schritt zurück. »Wir haben uns doch geeinigt, oder?«, sagt Ochs.
»Ja, sicher.« Sein Grinsen wirkt schief.
Ochs würde es ihm am liebsten aus dem Gesicht prügeln. »Sie verfolgen und belästigen mich. Ich werde jetzt die Polizei rufen.« Sein Handy hat er schon in der Hand. In der Zwischenzeit ist auch Tony ausgestiegen.
»Und was wollen Sie denen erzählen? Dass Sie hier einen Wahlkampfbesuch machen, oder was?«, sagt Springsteen provozierend.
Tony stellt sich neben Ochs. Seine Größe und seine Statur haben etwas Imposantes, und Springsteen weicht noch einen Schritt zurück.
»Tony«, sagt Ochs immer noch einigermaßen ruhig, »begleite Mr. Springsteen bitte zu seinem Auto.«
Mit einer schnellen Bewegung hat Tony dem Journalisten
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