Der Skandal (German Edition)
Sie mich, Ruth?« Er neigt sich vor, sodass er ihr Parfüm riechen – und ihre Kälte noch deutlicher spüren kann. »Wir haben uns doch unterhalten, erinnern Sie sich, Sie sagten …«
»Danach«, fällt sie ihm ins Wort.
»Danach bin ich nach Hause gefahren. Ich war an diesem Abend sehr müde. Sie wissen ja, Schumann …« Er gibt sich Mühe, sie charmant anzulächeln.
»Gibt es Zeugen?«
»Sie fragen mich nach meinem … Alibi?« Er versucht, es absurd klingen zu lassen, als müsste sie sich geirrt haben. »Heißt das … heißt das, Sie ziehen in Betracht, dass ich … dass ich mit dem Tod dieses Journalisten etwas zu tun habe? Ist es so? Das ist eine schwere Anschuldigung! Das ist Ihnen doch wohl klar, Ruth!«
»Gibt es Zeugen?«
»Meine Frau kann es Ihnen bestätigen.«
Wie Muller ihn ansieht, als hätte sie alle Zeit der Welt und als hätte er keine Wahl mehr, das bringt ihn zur Weißglut, und das Schlimme dabei ist, dass sie gerade das Spiel bestimmt.
»Sie irren sich, Ruth. Ich habe nichts mit der Sache zu tun. Wo kämen wir hin, wenn ich jeden Journalisten, der was gegen mich hat, umbringen würde!« Er lacht. Aber es hört sich selbst in seinen Ohren unecht an.
Sie lächelt noch nicht einmal über seine Bemerkung. »Ich muss Sie bitten, sich zur Verfügung zu halten, Gouverneur Ochs.« Sie steht auf und wendet sich zur Tür.
»Warten Sie!«
Sie dreht sich um, und in vertraulichem Ton sagt er: »Das mit der Homeland Security hat Ihnen also nicht zugesagt, nicht wahr?«
Damit hat sie nicht gerechnet, Erstaunen zeigt sich auf ihrem Gesicht, und er fühlt sich ermutigt, die Schlacht ist noch nicht verloren, denkt er und sagt: »Stan Milosz wird sich übrigens in den nächsten Monaten zurückziehen, er hat ernsthafte gesundheitliche Probleme.«
»Davon hat er nie etwas erwähnt.«
Mir gegenüber auch nicht, könnte er sagen. Er kann nicht einschätzen, ob ihre Überraschung echt ist oder nur gespielt.
»Na ja, Sie wissen doch, wie Männer sind, nicht wahr? Wir wollen doch nie eine Schwäche zugeben.« Jetzt hat er sie, glaubt er, jetzt hat er sie. »Nun, es gibt wohl keinen geeigneteren Nachfolger für den Posten des Chief of Police als … als Sie, Ruth.«
Ihr Blick scheint zu fragen, ob er das alles wirklich ernst meint.
»Wissen Sie, Ruth, wir sollten zum Wohl unseres Landes überflüssige Konflikte vermeiden, finden Sie nicht? Hin und wieder gibt es Widrigkeiten, sicher, aber gemeinsam sollte es uns gelingen, sie auszuräumen, nicht wahr?« Er fügt ein Lächeln hinzu. Vielleicht sollte er ihr ein wenig näher erklären, was er meint. »Drogen zum Beispiel sind ein wirklich ernstes Problem, und wenn der – sagen wir mal – Polizeichef der größten Stadt unseres Staates selbst irgendwie verstrickt ist in dieses widerliche Geschäft …« Ihr Gesicht wird maskenhaft. Ochs registriert es mit Genugtuung. Es ist wie immer, man muss nur sein Gegenüber genau kennen, genauer, als der andere denkt. »Aber so weit muss es ja nicht kommen, Captain. Wir sollten also nicht unnötig im Dreck wühlen, sondern uns unseren wahren Aufgaben widmen und der Gesellschaft dienen.« Er ist in seinem Element, jetzt fehlen ihr die Worte, um ihn zu unterbrechen. »Überlegen Sie es sich.«
Ihre Augen und ihre Mundwinkel zucken, als hätte er sie gerade geohrfeigt. Er hält ihr die Tür auf. »Fahren Sie vorsichtig, Ruth, es schneit schon wieder.«
Als sie gegangen ist, denkt er an Heather und an sein Alibi. Jetzt ist er tatsächlich von diesem Miststück abhängig.
Als es an ihrer Haustür klingelt, zieht Christina automatisch die Waffe. Sie macht sich Vorwürfe, dass sie nicht schon längst weg ist. Seit Muller ihr geraten hat, unterzutauchen, hat sie es gerade mal geschafft, Jay bei ihren Eltern unterzubringen und ein paar Sachen zusammenzupacken. Wenn sie flieht, dann kommt das einem Schuldeingeständnis gleich, das ist ihr klar geworden. Davon abgesehen wüsste sie auch nicht, wohin sie gehen sollte. Nachdem sie durch den Spion gesehen hat, steckt sie die Waffe in den Hosenbund und öffnet.
»Ich will dir die Wahrheit sagen«, fängt Pete an. Seine Mütze ist weiß vom Schnee. Vor ihrem Haus steht kein Auto, sie sieht nur seine Fußspuren.
»Noch eine deiner Wahrheiten?«, sagt sie. Sie würde ihm am liebsten die Tür vor der Nase zuschlagen.
»Lässt du mich rein?«
»Bist du zu Fuß gekommen?«
»Nein, ich hab nur nicht direkt vor dem Haus geparkt. Aus … aus Vorsicht …«
Sein Blick hat etwas
Weitere Kostenlose Bücher