Der Skandal (German Edition)
mit diesem Blick an, den er von ihrem Vater kennt und unter dem sich jeder wie der letzte Versager fühlte.
»Wie konntest du nur, Carl!«
Glaubt sein Bruder etwa, es hätte ihm Spaß gemacht? Manchmal ist Frank so überheblich. Dabei ist er, Carl H. Ochs, es doch, der die Hauptarbeit macht, der den Kopf hinhält, den die Medien zerpflücken, er ist das Hassobjekt, während Frank immer schön im Hintergrund bleiben kann.
»Die Sache ist nicht mehr so leicht zu regeln, Carl.« Frank legt die Stirn in Falten. »Sie haben die Leiche von Springsteen gefunden und werden in alle Richtungen ermitteln.«
»Und wenn schon! Wie soll man auf mich kommen?«
»Ganz einfach. Was ist, wenn er jemanden eingeweiht hat?«
»Na und? Es gibt nicht die geringsten Beweise. Und außerdem bin ich sicher: Springsteen war der Erpresser.«
»Hat er das gesagt?«
»Nein, aber er muss es gewesen sein. Er hat die Sache mit der Mine erwähnt.«
»Das wird ja immer besser! Dann kommen sie gleich auf dich. Dann hast du nämlich ein Motiv!«
»Herrgott, ich war es, der Tony in Springsteens Wohnung geschickt hat.« Jetzt ist es raus. Und es fühlt sich noch schlimmer an. »Tony sollte den Computer mitnehmen. Falls dieser Schmierfink irgendwas geschrieben hat. Frank, ich bin an allem schuld!« Er erschrickt über sich selbst, über die Heftigkeit dieses Gefühls.
»Und Andersson hat ihn dort überrascht? Wunderbar, Carl! Du hast dir gerade dein eigenes Grab geschaufelt.«
Auf Franks Gesicht glaubt er so etwas wie Verachtung zu erkennen, und das verletzt ihn so sehr, dass er nichts sagen kann.
»Und weißt du, was noch schlimmer ist, Carl?«, redet sein Bruder weiter. »Wenn du untergehst, reißt du uns alle mit – Mom, die Familie – und die ganze Partei! Unsere ganze Arbeit der letzten Jahre ist dahin!«
Frank steht auf, und Ochs merkt, wie sein Bruder ihn innerlich verlässt. Es fühlt sich genauso an wie letzte Nacht – und wie heute Morgen, als dieser Abgrund sich vor ihm aufgetan hat. Warum ist es überhaupt so weit gekommen? Und warum jetzt? Ausgerechnet jetzt?
Frank greift zu seinem Handy.
»Wen rufst du an?«, will Ochs wissen, doch Frank gibt ihm ein Zeichen, still zu sein.
»Du verhältst dich ab sofort ganz ruhig, verstanden? Und du brauchst ein Alibi für die Zeit nach diesem Konzert.«
Ochs denkt sofort an Kirsten, aber das ist unmöglich, er kann ihre Beziehung auf keinen Fall öffentlich machen. Das wäre ein gefundenes Fressen für die Presse – und es würde auch Kirstens Stellung als erfolgreiche Anwältin schädigen.
»Nein …«
»Glaub mir«, sagt sein Bruder und drückt eine Nummer, »wenn die Polizei Springsteens Wohnung durchsucht und die Sache mit Tony an die Öffentlichkeit kommt, findet die irgendwas, das auf dich hinweist. Irgendwas, ganz bestimmt.«
Ochs geht hinaus, er will nicht mithören, was Frank anordnet. Vivian hebt fragend die Brauen. Er winkt ab, geht zum Fenster und sieht hinaus, ohne wirklich etwas zu sehen. Ein paar Minuten später geht er wieder ins Büro. Frank steckt gerade sein Handy weg.
»Brewer wird sich um Andersson kümmern.« Er sitzt hinterm Schreibtisch und massiert sich wieder die Schläfen, es sieht aus, als würde er Schrauben festdrehen. Ochs muss wegsehen, das macht ihn ganz schwindlig.
»Brewer hat so was noch nie gemacht, Frank. Und Andersson ist seine Kollegin.«
»Carl, Brewer ist nervös«, sagt Frank betont ruhig. »Er hat Angst um seine Zukunft! Er steckt schon zu tief mit drin. Die Akten, die Infos … Wenn das rauskommt, kann er einpacken.«
Sein Bruder sieht ihm mit diesem belehrenden Blick in die Augen, den er eigentlich hasst, aber im Augenblick ist er dankbar, dass Frank überhaupt da ist und sich über diese ganze verfahrene Situation Gedanken macht.
»Du warst bei diesem Kammerkonzert, dafür gibt es ja genügend Zeugen, und dann bist du nach Hause gefahren. Heather wird das doch bestätigen, oder?«
Ochs bezweifelt das, doch dann sagt er: »Sie muss. Wenn sie mich belastet, schneidet sie sich ins eigene Fleisch.«
Frank sieht ihn eine ganze Weile einfach nur an, ohne etwas zu sagen. Ochs weiß genau, was sein Bruder denkt: Er verachtet ihn. Noch nie hat er das so deutlich gespürt wie jetzt.
Über Franks Gesicht huscht ein spöttisches Lächeln. »Du warst also nicht bei ihr?«
»Nein.« Ochs steht auf, er will sich jetzt nicht von seinem Bruder herunterputzen lassen.
»Dann, mein Lieber«, auch Frank steht auf, »solltest du so schnell wie
Weitere Kostenlose Bücher