Der Skandal (German Edition)
Selbstbewusstsein und Stil.
Als alle drei schließlich am Tisch sitzen, sagt seine Mutter: »Ich hoffe, das Corned Beef ist weich genug.«
»Es ist sicher fantastisch, Mom«, sagt Frank wie immer und gießt Wasser in ihre Gläser. »Oder, Carl?«
»Bestimmt! Ich hab schon lange kein Corned Beef mehr gegessen«, antwortet er und denkt an einen Drink. Hätte sein Vater noch gelebt, hätte er seine Söhne erst einmal in sein Arbeitszimmer gebeten, einen ordentlichen Scotch eingeschenkt und gefragt: »Und, was machen die Geschäfte?«
Doch seit er tot ist, bietet seine Mutter keinen Alkohol mehr an. Über Dads Alkoholproblem hat sie nie gesprochen.
Das Fleisch ist tatsächlich zart, es zerfällt auf dem Teller.
»Hat Jason sich mal wieder gemeldet? Mich ruft er nie an«, sagt seine Mutter.
»Du weißt doch, dass er sehr beschäftigt ist, Mom«, sagt Ochs. »Mich ruft er auch nicht an.«
»Du hast mich immer angerufen, auch wenn du beschäftigt warst«, sagt seine Mutter.
Ochs lacht. »Ja, ich bin ja auch ein vorbildlicher Sohn.«
»Und Amber? Wann kommt sie endlich aus London zurück?«
»Mom, sie kommt nach dem nächsten Trimester.«
»Na, wer weiß, vielleicht hat sie jemanden kennengelernt und kommt gar nicht mehr heim.«
»Mom, du bist so pessimistisch«, sagt Frank. »Was ist los?«
»Was soll los sein? Nichts. Es ist nur schade, dass die Enkel einen vergessen.«
Ochs fängt einen Blick seines Bruders auf und wechselt schnell das Thema. »Wie geht’s im Haus, Mom?«
»Alles in Ordnung«, sagt seine Mutter nur. Sie hat das Ablenkungsmanöver durchschaut, da ist Ochs sich sicher.
Sie essen schweigend weiter. Seit letztem Jahr schmatzt seine Mutter, es muss an ihren Zähnen liegen.
»Es wird eine wichtige Wahl, Carl«, sagt sie und legt das Besteck auf den Teller. »Die Menschen müssen wieder auf den rechten Weg gebracht werden. Sie haben so vieles vergessen, was uns und den Gründervätern wichtig war. Sie wollen nur konsumieren, ohne sich Gedanken zu machen, woher die Dinge kommen.«
»Der Meinung bin ich auch«, stimmt Frank zu und nimmt sich ein großes Stück Fleisch.
»Das erwähnst du doch in deinen Reden, oder? Das ist wichtig, Carl!«
»Ja, Mom, natürlich. Frag Frank, er liest alle Reden.« Er schluckt mit dem Fleisch seinen Groll hinunter. Kirsten würde sagen, davon kriegt man Magengeschwüre. Er wirft seinem Bruder einen Blick zu, worauf der wie auf Kommando nickt und die Reden lobt. So hat es schon immer zwischen ihnen funktioniert – Frank, der Klugscheißer, und er, das Großmaul. Jeder schnappt sich irgendwie am Anfang des Lebens eine Rolle, das hat Susan gesagt, wenn sie sich wegen irgendetwas gestritten hatten und es darauf hinauslief, dass jeder nun mal so war, wie er war, mit seinen positiven und negativen Anteilen. Susan … Er weiß, dass man dazu neigt, früh Verstorbene zu idealisieren. Tja, er ist da wohl keine Ausnahme. Vielleicht wären sie ja inzwischen längst geschieden …
»Wie geht es Heather?«, fragt seine Mutter betont beiläufig. »Dieses Mal wird sie doch gesund sein an meinem Geburtstag, oder?«
Ochs merkt, dass er viel zu viel gegessen hat. Er sehnt sich noch mehr nach einem Drink.
»Aber sicher, Mom.«
Er hofft, dass seine Mutter das Thema fallen lässt, seine Erklärungen sind allzu durchsichtig.
Frank kommt ihm zu Hilfe. »Migräne ist quälend, Mom.«
»Migräne ist eine Krankheit für Menschen, die zu viel Zeit haben«, erwidert sie.
»Ach Mom, du kennst Heather doch. Sie regt sich schnell auf.« Ochs hat die Spitze seiner Mutter ohne Widerwort geschluckt. Schließlich stehen die Essen bei seiner Mutter unter dem ungeschriebenen Gesetz, dass sie alles sagen darf, während ihre Söhne ihr beizupflichten haben und keinesfalls die verordnete Harmonie stören dürfen. So ist es schon früher gewesen. Alle haben sich daran gehalten. Ihr Dad hat später angefangen, sich in solchen Situationen einen Whisky einzuschenken. Das hat ihre Mutter regelmäßig zum Schweigen gebracht. Nach seinem Tod hat sie den Alkohol in die hinterste Ecke gesperrt, und so bleiben heute nur der Rückzug in die Küche und das Aufräumen.
Schon stellt seine Mutter die leeren Teller zusammen. Ochs ist sich sicher, dass sie schon längst ahnt, wie es um seine Ehe steht. Aber er wird einen Teufel tun und ihr das sagen, denn dann kann sie doch nur wieder triumphieren, weil sie ja schon von Anfang an wusste, dass Heather nicht die richtige Frau für ihn ist. Sie ordnet sich
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