Der Skandal (German Edition)
Ashland.«
»Ashland?«
»Das ist im Norden, am Lake Superior. Ist etwas passiert?«, fragt sie alarmiert.
»Wie kommen Sie darauf?«, fragt Christina.
»Nun …«, fängt Patty Stiegler zögernd an, »in letzter Zeit gab es öfter Demonstrationen und sogar Drohbriefe wegen der Sache mit der Mine.«
Christina wird hellhörig. »Das müssen Sie mir mal näher erklären, Patty.«
Patty Stiegler erzählt, dass Geo-Analytics Kondracki das Gutachten für eine der Minen erstellt hat, die wieder eröffnet werden. »Viele sind dagegen, dass dort wieder gegraben wird«, fährt Patty fort. »Aber jetzt ist es per Gesetz ja wieder erlaubt.«
Davon weiß Christina nichts, aber sie hat sich auch nicht dafür interessiert, und die Nachrichten hat sie schon ein paar Tage lang nicht mehr gesehen.
Die Mine heißt Redmill Mine , erfährt sie noch, sie liegt bei Ashland, ganz im Norden von Wisconsin. Sie geht zurück zu ihrem Auto. Von Milwaukee aus braucht sie vier Stunden, sagt ihr das GPS. Vier Stunden, um Pete zu fragen, warum sein Name in Tims Organizer eingetragen ist. Und zwar zweimal die Woche.
Sie kommt gut voran, es gibt nicht mehr so viele Baustellen. Doch die Müdigkeit macht ihr zu schaffen, und sie nimmt noch eine Provigil. Nachdem die Ermittlungen im Fall von Charlene einen Monat lag erfolglos verliefen, hat sie damit angefangen. Sonst hätte sie nicht durchgehalten. Sofort fühlt sie sich besser. Wenn das alles vorbei ist, wird sie damit aufhören.
Der Himmel ist grau, und auch die weite, hügellose Landschaft mit den dürren Bäumen, jetzt im Winter ohne Laub, hat etwas Eintöniges. Orte sieht man von der Interstate aus kaum, nur an Tankstellen, Supermärkten und Fast-Food-Restaurants wie Burger King , Perkins , Arby’s , KFC , McDonald’s , Taco Bell, Wendy’s und wie sie alle heißen kommt sie vorbei.
In Green Bay, auf der breiten Brücke, auf der sie einen Truck nach dem anderen überholt, fällt ihr auf, dass sie vergessen hat, wie viele Raffinerien und Industriebetriebe sich hier niedergelassen haben. Die große Bucht an der tief ins Land schneidenden Mündung des Fox River in den Lake Michigan ist ein idealer Hafen. Sie erinnert sich an den Mord an einem Unternehmer aus Green Bay. Er hatte Sand, Holz und andere Produkte in den Süden verschifft, vor allem nach Chicago. Man hatte ihn mit durchgeschnittener Kehle in einem Kanal in Milwaukee gefunden. Der Mörder wurde nie gefasst.
Hinter Green Bay, Richtung Wausau zieht sich die Strecke endlos hin. Die Schneelandschaft kommt ihr noch eintöniger und langweiliger vor, nur ein paar Farmen mit ihren Silos erheben sich auf der weißen Fläche.
Irgendwann wird die Strecke wieder abwechslungsreicher. Dichte Wälder reichen bis an die Straße heran, bedecken sanfte Hügel. Die Farmhäuser sind kleiner und wirken nicht so gleichförmig. Werbetafeln weisen darauf hin, dass Amerika das von Gott auserwählte Land ist, dass Jesus die Amerikaner liebt und wann der nächste Gottesdienst in der Lutherischen Kirche ist. Christina wünscht sich Kurven und Ampeln, aber die kommen nicht.
Irgendwann klingelt ihr Handy, und sie schreckt auf. Es ist Aaron. Er will wissen, wo sie ist. Nach der Sache bei Perkins hat sie nicht mehr mit ihm gesprochen, umso mehr wundert es sie, dass er anruft.
»Ich bin unterwegs nach Ashland.«
»Und was willst du da?«
»Ich habe den Organizer gefunden.«
»Den von Tim? Ich denke, der hatte keinen. Unsere Leute waren doch in der Praxis.«
»Er war bei mir zu Hause. Irgendwie war er hinter eine Truhe gefallen. Könntest du mal was für mich überprüfen? Hatte Tim eine Patientenakte von einem gewissen Pete Kondracki?«
»Von wem?«
Sie wiederholt den Namen.
»Wer ist das?«
»Erklär ich dir später. Ruf mich an.«
Bevor er noch etwas einwenden kann, beendet sie das Gespräch. Auch das ist nicht fair, das weiß sie, aber sie kann ihm jetzt unmöglich erklären, was gewesen ist zwischen ihr und Pete.
Laut GPS sind es nur noch drei Meilen bis zur Redmill Mine . Die Heizung läuft auf vollen Touren. Die Sonne hat sich hinter dicken Wolken verborgen.
Der Winter, denkt Christina, ist hier oben verdammt hart.
Sie fährt durch Orte, die nur aus einigen wenigen Holzhäusern bestehen, manche sind halb verfallen. Auch die Autos vor den Häusern sind rostig und alt. Die Schneehaufen rechts und links der Fahrbahn türmen sich mindestens einen Meter hoch. Und auf der Straße liegt eine feste Schneedecke.
Sie entdeckt ein Schild, das
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