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Der Skandal (German Edition)

Der Skandal (German Edition)

Titel: Der Skandal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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bewegen, aber sie spürt sie nicht mehr … Sie kämpft gegen die Müdigkeit, die immer stärker wird und die ihre Gedanken betäubt.

6
    »Lady! Was haben die mit Ihnen gemacht?«, sagt eine Stimme. Jemand nimmt ihr den Knebel aus dem Mund und hebt sie hoch. Geblendet zuckt sie zusammen.
    »Keine Angst!«, sagt die Stimme beruhigend. »Keine Angst, es ist alles okay …«
    Sie kann nicht sprechen, kann sich nicht bewegen.
    Erst als sie in Decken gehüllt auf dem Beifahrersitz des Abschleppwagens sitzt, fängt sie an zu zittern. Der Mann hat ihr aus seiner Thermoskanne Tee eingeschenkt. Aber sie kann den Becher kaum halten, ihre Hände sind taub und schmerzen und kribbeln. Er hat die Standheizung hochgeschaltet, und warme Luft bläst ihr entgegen. Aber sie zittert so stark, dass sie den Tee verschüttet. Durch die Scheibe beobachtet sie, wie der Mann ihren Wagen hochbockt und die Radmuttern lockert.
    Sie starrt in das Schneegestöber und fragt sich, warum dies alles passiert. Und sie sehnt sich nach der Zeit zurück, als sie den Mörder der kleinen Charlene gejagt hat – als ihre Welt aber in Ordnung war. Tim lebt, und Jay liegt nicht mit Lungensteckschuss und einem Trauma auf der Intensivstation. Wie schnell kann sich ein Leben ändern … Von einer Sekunde auf die andere. Weil man in einen falschen Wagen eingestiegen ist, weil man vorschnell die Tür geöffnet hat, weil man ein Geräusch überhört hat … Plötzlich weiß sie, dass Jay in Gefahr ist. Sie muss unbedingt ins Krankenhaus, sie muss jemanden dorthin schicken … Wo ist ihr Handy? Sie lässt den Becher fallen, der heiße Tee ergießt sich über ihre eiskalten Beine. Bitte, will sie nach draußen rufen, bitte, ich muss telefonieren. Sie hämmert an die Scheibe.
    Der Mitarbeiter des Abschleppdienstes rollt gerade den kaputten Reifen zum Kofferraum. Er richtet sich auf, endlich hat er sie bemerkt. Sie zittert fürchterlich, ihre Zähne schlagen aufeinander, aber als er die Tür öffnet, kann sie ihm verständlich machen, dass er jemanden für sie anrufen soll.
    Als die Streife kommt, ist Aaron noch nicht da. Die Beamten prüfen ihren Ausweis und sehen sie irritiert an. Aber sie ist zu erschöpft für Erklärungen. Dann endlich kommt Aaron.
    Sie lässt sich von ihm festhalten und in sein Auto tragen. Er packt sie ein in Decken, aber das hilft nicht, sie zittert erbärmlich.
    »Wir fahren zu einem Arzt …«
    »Nein! Ins Krankenhaus, zu Jay!«, bringt sie mühsam heraus. Er weiß, dass es jetzt keinen Sinn hat, zu widersprechen. Also schaltet er die Heizung auf höchste Stufe und gibt Gas.
    Erst als sie die Wache vor der Tür sieht und Jay, wie er friedlich schläft, ist sie beruhigt. Dann lässt sie sich von Aaron nach Hause bringen.
    »Du zitterst immer noch«, sagt er, als sie vor ihrem Haus stehen. Sie will etwas sagen, aber sie bringt nichts heraus, sie kann vor lauter Zittern noch nicht mal die Autotür öffnen.
    Er bringt sie ins Haus, ins Schlafzimmer, legt sie aufs Bett, hilft ihr, die nasse Kleidung auszuziehen. Es macht ihr nichts aus, dass er sie so sieht, für solche Empfindlichkeiten hat sie keine Kraft mehr. Er holt so viele Decken, wie er finden kann, hüllt sie darin ein und macht ihr heißen Tee.
    »Geht’s besser?«
    Sie nickt. Allmählich spürt sie, wie die Wärme in ihren kalten, erstarrten Körper zurückkehrt und endlich das Zittern aufhört.
    Er sitzt neben ihr auf dem Bett und sieht sie an.
    »Danke«, bringt sie heraus. Sie greift nach seiner Hand, drückt sie. Er zieht sie nicht weg. Seine Hand fühlt sich so wunderbar warm an. Sie legt sie sich an die kalte Wange. »Ich hab gedacht, gleich ist es aus«, sagt sie schließlich. »So ausgeliefert hab ich mich noch nie gefühlt. Und ich wollte nur noch eins: die Typen töten.« Es wundert sie, dass sie so ruhig darüber reden kann.
    »Und jetzt?«, fragt er.
    »Jetzt?« Sie denkt nach, und fragt sich, ob sie ihm die Wahrheit sagen kann. »Jetzt?«
    Er sieht sie immer noch an. »Schon okay. Ich hab gesehen, was du am liebsten mit Raymond gemacht hättest.«
    »Ich frag mich manchmal, ob das normal ist.«
    »Was?«
    »Diese Wut. Diese Rachegefühle …«
    »Hat die nicht jeder in so einer Situation?«
    »Siehst du das?« Sie legt Daumen und Zeigefinger zusammen. »So wenig trennt mich davon, es wirklich zu tun.«
    »Vielleicht bist du deswegen so ein guter Cop?«, sagt er mit einem Lächeln.
    »Ein guter Cop sollte seine Gefühle stets im Griff haben, Aaron.«
    »Du bist zu streng

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