Der Sklave von Midkemia
Bedürfnis einer Frau, in der Umarmung eines Mannes Schutz vor der Einsamkeit zu finden. Und Nacoya hatte sich streng an das Verbot ihrer Lady gehalten, darüber zu sprechen – sooft sie sich auch bei weniger wichtigen Dingen über Maras Wünsche hinwegsetzen mochte. Doch jetzt war Mara reif genug, um ihr Handeln selbst in Frage zu stellen, und so sprach die ältere Frau in aller Offenheit: »Tochter, ich warnte Euch bereits, als Ihr den Barbaren zum ersten Mal in Euer Bett nahmt. Doch es kam, wie es kommen mußte. Was geschehen ist, läßt sich nicht mehr ändern. Aber jetzt müßt Ihr Euch der Verantwortung stellen.«
Mara wehrte sich entrüstet, und die kleinen Vögel breiteten nervös die Flügel aus und flatterten davon. »Verbringe ich nicht mein ganzes Leben damit, das zu schützen, was einmal Ayaki gehören wird?«
Nacoya blickte auf das liegengebliebene Stückchen Brot. »Euer Vater würde vor Stolz erglühen, wenn er wüßte, welche Siege Ihr gegen seine Feinde errungen habt. Doch Ihr lebt nicht für Euch allein. Ihr seid das Haus Acoma. Wie groß Euer Wunsch auch ist, Tochter, Ihr seid zuallererst Herrscherin und dürft erst dann nach Eurem Glück streben.«
Mara nickte mit ausdruckslosem Gesicht. »Es gibt Augenblicke …«
Nacoya nahm wieder Maras Hand. »Augenblicke, die keiner von denen, die Euch lieben, Euch nehmen wollte, Tochter. Doch die Zeit nähert sich, da Ihr eine feste Verbindung anstreben müßt, und wenn nicht mit Hokanu von den Shinzawai, dann mit dem Sohn eines anderen Edlen. Dieser neue Gatte muß ein Kind zeugen und damit die Verbindung zwischen seinem und Eurem Haus besiegeln. Als Herrscherin dürft Ihr in Euer Bett nehmen, wen Ihr wollt, niemand darf Euch das verwehren – doch erst, nachdem Ihr Eurem Gatten ein Kind geboren habt. Bis dahin darf es nicht den leisesten Zweifel daran geben, wer der Vater ist. Nicht einen einzigen. Denn das Kind wird die Brücke über eine tiefe Kluft sein.«
»Ich weiß«, seufzte Mara. »Doch bis dahin werde ich so tun …« Sie ließ den Gedanken unbeendet.
Als Nacoya keinerlei Anstalten machte zu gehen, verdrängte Mara ihre melancholische Anwandlung. »Du hast Neuigkeiten?«
Die ehemalige Amme lächelte stolz, obwohl sie sich bemühte, die Gefühlsregung zu verbergen. »Der Abgesandte der Keda ist am Ende seiner Geduld. Er wird heute nachmittag auf eine Einigung drängen. Ihr müßt etwas essen und Euch fertigmachen, denn Jican fallen keine Entschuldigungen mehr ein. Es ist an der Zeit, mit den Verhandlungen zu beginnen.«
Mara grinste schelmisch und stand auf. »Ach ja, das lästige und ärgerliche Problem mit den Korn-Lagerhäusern. Ich habe es nicht vergessen.« Sie streckte der alten Frau die Hand entgegen, um ihr auf die Füße zu helfen, dann ging sie zurück in ihre Gemächer, wo bereits Zofen mit einer reichlichen Auswahl an Festgewändern auf sie warteten.
Mara betrat die große Halle der Acoma zwei Stunden später. Ihre Schläfen schmerzten, so stramm saßen die Haarnadeln, mit denen der Kopfschmuck befestigt war. Der Würdenträger, der den größten Teil der letzten zwei unerquicklichen Tage im Streit mit ihrem Hadonra verbracht hatte, wartete mit glühendem Gesicht auf sie. Jican, ebenso verärgert und sichtlich kurz vor einem Nervenzusammenbruch, erhob sich, um sie anzukündigen.
»Die Lady der Acoma«, rief er dem Besucher zu, der herumwirbelte und sie über seine leicht gebogene Nase hinweg mit der Steifheit eines Buchhalters anstarrte. Hinter ihm verbeugten sich einige zerknittert aussehende Schreiber und Makler; sie waren weniger geschickt darin, ihre Gereiztheit rasch zu verbergen.
Mara wartete, bis der Ranghöchste von ihnen ihr die Ehrerbietung gezollt hatte, die ihr aufgrund ihrer Position zustand, dann näherte sie sich langsam dem Podest. Sämtliche Augen verfolgten sie wie gebannt, und das Klicken von Keyokes Krücke vermischte sich mit dem Quietschen von Lujans Rüstung.
Der Botschafter verbeugte sich respektvoll. Sein Lord zählte zu einer der Fünf Großen Familien und war von höherem Rang als Mara, und so verbarg er seine Verärgerung hinter einer vordergründig sanften Stimme. »Geht es Euch gut, Lady der Acoma?«
Mara nickte leicht und war sich dabei ihrer sorgfältig aufgetürmten Frisur bewußt. »Es geht mir gut, Erster Berater Hantigo. Und geht es Eurem Herrn, Lord Andero von den Keda, gut?«
Der Botschafter beantwortete die Höflichkeitsgeste ein wenig steif. »Ich darf sagen, es ging ihm gut, als
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