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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Cho-ja-Arbeiter begleitete Mara zu der Ebene, wo Färber und Weber damit beschäftigt waren, die hauchdünnen Fäden in fertige Kleidung zu verwandeln. Die Tunnel waren nur schwach beleuchtet und kühl nach dem Sonnenlicht draußen. Immer, wenn Mara sich in den Stock begab, hatte sie das Gefühl, eine andere Welt zu betreten. Cho-ja-Arbeiter huschten eilig an ihr vorbei, ganz den Aufgaben hingegeben, die sie zu erfüllen hatten. Sie waren zu schnell, als daß sie ihnen mit dem bloßen Auge hätte durch die von leuchtenden Kugeln nur schwach erhellten Gänge folgen können. Trotz der Düsternis stießen die insektenähnlichen Geschöpfe niemals zusammen. Mara spürte kaum mehr als einen sanften Windhauch, wenn die flinken Wesen durch die engsten Passagen huschten. Die Kammer, in der die Seide gesponnen wurde, war groß, aber niedrig. Mara berührte mit der Hand ihren Kopf, um sicherzugehen, daß die Jade-Nadeln, die ihr Haar hielten, nicht gegen die Decke stießen.
    Der sie begleitende Cho-ja blieb stehen und winkte mit einem seiner Vordergliedmaßen. »Die Arbeiter, die zum Spinnen ausgebrütet werden, sind für diese Aufgabe ganz speziell ausgestattet«, erklärte er.
    Als Maras Augen sich an die fast vollständige Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie eine Menge glänzender, chitingepanzerter Körper, über einen Haufen roher Seidenfasern gebeugt. Genau hinter ihren Vorderklauen waren kammähnliche Gliedmaßen angebracht und etwas, das die Funktion eines menschlichen Daumens übernommen hatte. Sie hockten auf den hinteren Gliedmaßen, während die vorderen an den Fasern arbeiteten, die eine solche Zartheit besaßen, daß es beinahe einem Wunder gleichkam, daß sie nicht bei der Berührung zerbrachen. Dann wurden sie zu den mittleren Gliedmaßen weitergereicht und dort in einer wirbelnden Bewegung zu Garn gesponnen, bevor die Fäden jedes einzelnen Arbeiters durch einen Schlitz in der Wand aus der Kammer hinausführten. Hinter dieser Trennwand hockten andere Arbeiter über dampfenden, großen Kesseln und färbten das Garn in einem einzigen Vorgang. Die Fasern verließen die Färbekessel und gelangten wieder in einen anderen Bereich, wo kleine, geflügelte Drohnenweibchen sie trockneten, indem sie unaufhörlich mit den Flügeln schlugen. Danach öffnete sich der Gang zu einer weiten, hellen Kammer mit einem Kuppeldach und dann eingelassenen Fenstern, die Mara an Lashimas Tempel in Kentosam erinnerten. Hier nahmen die Weber das gefärbte trockene Garn entgegen, führten den Seidenschußfaden durch die Kette und schufen in einem geradezu magischen Prozeß die schönsten Seidenstoffe im ganzen Kaiserreich.
    Der Anblick raubte Mara den Atem. Hier, wo die strengen tsuranischen Verhaltensregeln nur geringe Bedeutung besaßen, konnte sie sich wie ein kleines Mädchen verhalten und die Arbeiter unaufhörlich mit Fragen belästigen. Sie befühlte den fertigen Stoff, bewunderte die vielen verschiedenen Farben und Muster. Und ehe sie sich versah, stand sie nachdenklich vor einem Stapel kobaltblauer und türkiser Seide mit wunderbaren Mustern in Rostbraun und Ockergelb. Sie merkte erst gar nicht, daß sie darüber nachsann, wie der Stoff Kevins rote Haare zur Geltung bringen würde; als es ihr bewußt wurde, erstarb ihr Lächeln. Egal, welche Ablenkung sie auch suchte, nie war sie von Dauer. Immer kehrten ihre Gedanken früher oder später zu dem barbarischen Sklaven zurück, wie sehr sie sich auch bemühte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Plötzlich schien die leuchtende Seide ihren Glanz verloren zu haben. »Ich möchte jetzt zurückgehen und die Königin um Erlaubnis bitten, mich verabschieden zu dürfen«, bat Mara. Der Cho-ja gab mit einer leichten Verbeugung sein Einverständnis. Seine Gedankengänge unterschieden sich von denen der Menschen, und er hielt Maras Meinungsänderung keineswegs für ungehörig.
    Wieviel einfacher mußte das Leben für einen Cho-ja-Arbeiter sein, dachte Mara. Sie beschäftigten sich nur mit der Gegenwart, vertieft in die Unmittelbarkeit des Augenblicks und geleitet von dem Willen ihrer Königin, deren Interesse mit dem Bedürfnis des gesamten Schwarms identisch war. Die glänzenden schwarzen Wesen lebten Zeit ihres Lebens unbehelligt von den Mühen und Qualen, denen die Menschen ausgeliefert waren. Mara beneidete sie um ihren Frieden und ging den Weg zurück zur Kammer der Königin. Im Gegensatz zu all den anderen Besuchen war ihre Neugier heute sehr gering. Sie sehnte sich nicht danach,

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