Der Sodomit
Kopf, blickte ihm entgegen. Die hellen Augen leuchteten aus dem verkrusteten Gesicht.
„Er müsste siebzehn sein.“ Barti hielt sich auf Abstand. „Wenn du ihm hilfst, werde ich dich großzügig dafür entlohnen.“
„Darüber sprechen wir, wenn er die Nacht überlebt und seine Beine wieder bewegen kann.“
Der Mann am Boden zuckte unter seinen Worten zusammen. Langsam schüttelte er den Kopf und seine Tränen hinterließen helle Streifen auf dem Braun seiner Wangen.
Mihály kniete sich neben ihn. Was aus dem Dreck schaute, war viel zu jung zum Sterben. Das besudelte Hemd klebte auf dem Rücken und der Schmutz verdeckte den Blick auf die Wunden.
„Kannst du ihn mitnehmen?“ Barti traute sich aus seiner Deckung. „Hier sollte er nicht bleiben.“
„Ich weiß nicht einmal, ob ich ihn bewegen kann. Vorher muss ich ihn mir ansehen. Dazu brauche ich mehr Licht und Wasser, um die Krusten einzuweichen und abzuwaschen.“
„Du kannst mich bewegen.“ Der Blick aus graublauen Augen flehte ihn an. „Ich werde wieder gesund.“ Der Hoffnungsfunke im Blick kam gegen die Angst nicht an.
Kein Mitleid. Es steht dir nur im Weg.
Es war schwer, konsequent zu bleiben, während ihn der Mann ansah.
„Schick Silas zu Sara. Sie soll den Zuber füllen. Ich komme mit einem Patienten.“ Himmel, was lud er sich auf? Wenn er Pech hatte, blieb der Mann lahm.
Sara würde ihm wie ihren Suppenhühnern den Hals herumdrehen, weil er von ihr verlangte, einen nach Scheiße riechenden Krüppel in ihrer Küche zu baden. Aber ihn seinem Schicksal überlassen konnte er nicht. Dazu blickte ihm der Mann zu tief in die Augen und bat stumm um Hilfe. Was wäre er für ein Arzt, wenn er es nicht wenigstens versuchte?
*
Er wollte ihm helfen.
Er hatte es gesagt.
Warum?
Egal. Er wollte es tun.
Der Mann mit dem langen bunten Mantel rief einen Jungen und befahl ihm das, was der andere eben verlangt hatte.
Wer waren die beiden und warum hatte ihn der eine gerettet? Der Mann mit den kurzen Haaren richtete sich auf und ging langsam um ihn herum. „Du kannst nicht laufen?“ Leicht trat er ihn an den Fuß, lächelte, als der zurückzuckte. „Wollen wir hoffen, dass du dich irrst.“ Mit der Fußspitze stieß er auch an das andere Bein. Es zuckte ebenfalls. „Scheint, als würde sich die Lähmung bereits geben.“ Er hockte sich neben ihn und zog das Hemd am Rücken hoch. Vorsichtig tastete er über die Stellen, wo die Dreschflegel niedergegangen waren. „Wenn du dich bewegst, tut es dann weh?“
Ja. Furchtbar . „Nein. Gar nichts tut weh. Es drückt nur etwas. Morgen kann ich wieder laufen.“
Der Mann lächelte wie Anna, wenn sie ihn wegen seines Buckels getröstet hatte. „Wenn ich dir helfen soll, darfst du mich nicht anlügen. Niemals, verstehst du?“ Er drückte fester auf eine wunde Stelle. Josias verbiss sich das Stöhnen.
„Auch schweigen ist lügen.“ Er drückte noch fester. Josias keuchte auf.
„Noch einmal: Was tut dir weh? Und vor allem, wie tut es weh?“
„Wie?“ War Schmerz nicht Schmerz?
„Stechend, reißend, dumpf, bohrend, ziehend, um den Verstand bringend, pulsierend, hämmernd, wandernd, brennend.“ Wieder lächelte er. „Wenn du mir genau sagst, was du fühlst, kann ich dir besser helfen.“
Josias versuchte, seine Beine zu bewegen. Wo vorhin kein Gefühl gewesen war, breitete sich ein Kribbeln aus. Aber es schmerzte nicht. Der Schmerz steckte allein in seinem Rücken.
„Hier oben?“ Der Mann legte seine Hand auf Josias Buckel, obwohl er stank wie ein Jauchefass. Die Scham glühte ihm ein Loch ins Herz.
„Oder hier unten?“ Der warme Druck wanderte hinab zu seinem Steiß. Nein, dort tat nichts weh. Aber die fremde Hand tat gut. Sie wärmte und machte, dass er sich beruhigte.
Ob er einen Diener brauchte?
Seine braunen Haare waren viel zu kurz. Ein Büßer?
Sein weißes Hemd, das Wams, der Mantel, den er zurückgeschlagen hatte. Alles sah vornehm aus. Warum büßte ein Mann wie er?
„Ich warte auf eine Antwort.“ Nicht ein Funken Ungeduld lag in seiner Stimme. Sie klang ruhig und besonnen. Anders als die grellen oder zornigen Stimmen, die er sonst hörte.
„Der Schmerz ist dumpf und bohrend.“
Die Brauen des Mannes wanderten in die Stirn. „Und wo sitzt er?“
„Auf meinem Rücken verteilt.“
„Hier?“ Er drückte auf eine Stelle unter seiner Schulter.
„Ja.“
„Hier auch?“ Nun erwischte es die Mitte des Rückens.
Josias nickte.
„Solange du nur die Schläge
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