Der Sodomit
vermochte.
Barti schätzte ihn auf siebzehn Jahre? Das konnte hinkommen. Unter normalen Umständen wäre Josias sicher schon verheiratet gewesen.
Zu alt für eine vollständige Korrektur? Exakt dort steckte die Herausforderung. Mit Geduld und Mühe ließen sich Berge versetzen. Der Buckel war nichts anderes.
Die Klinge schnitt die letzte Haarsträhne ab. Als ob sich die Mäuse auf seinem Kopf ausgetobt hätten, standen die Büschel in alle Richtungen und verschandelten Josias Anblick viel mehr, als es der krumme Rücken tat.
„Warte, ich seife dich ein und rasiere dir den Rest ab.“
„Muss das sein?“ Mit unglücklichem Blick strich sich Josias über den Kopf „Ich fühle mich nackt ohne Haare.“
„Du bist nackt.“ Mihály wies zwischen Josias Beine und der Mann lief dunkelrot an. „Da unten werde ich dich auch von deinen Locken befreien.“ Als ob ihn die Tierchen verstanden hätten, huschten zwei Läuse in tiefere Schichten.
„Ich bin gleich zurück.“ Weglaufen konnte ihm sein Patient nicht. Jedenfalls nicht in angemessener Zeit.
„Aber du kommst wieder.“ Josias klang ängstlich, auch wenn er einen rührenden Trotz in seinen Blick zwang.
„Natürlich komme ich wieder. Ich trage nur nicht ständig ein Rasiermesser mit mir herum.“
Josias Augen wurden riesig. „Hier?“ Ratlos sah er sich um, aber da sein Blickfeld eingeschränkt war, konnte er die Festung auf dem Hügel nicht bemerken, die direkt über ihm aufragte.
Mihály beeilte sich. Hinter den Büschen war er für Josias nicht mehr zu sehen. Wer den Pfad nicht kannte, fand ihn nicht und damit auch nicht das eiserne Tor zum Gewölbe. Es war dunkel, aber für das Entzünden einer Laterne war keine Zeit. Tastend bewegte er sich durch den Gang bis zu der Stelle, wo die Decke höher wurde und die Schritte lauter hallten.
Die unterste Stufe der Treppe kam zu schnell. Er stolperte sie hinauf und stieß sich dabei den Zeh.
Von selbst brennende Laternen, die man mit gutem Gewissen an sämtlichen dunklen Orten dieser finsteren Welt aufstellen konnte. Was wäre das für ein Segen für die Zivilisation.
Oben angekommen drückte er gegen die Bodenklappe, die sich dank ausreichendem Gebrauch von Schweinefett lautlos öffnen ließ.
Neben der Waschschüssel lagen sein Rasiermesser, das Schleifleder und ein Experiment mit Pfingstrose und Sonnenblumenöl. Die Seife hatte er im Sommer an einem seiner sensiblen Tage gekocht, in denen er in Gedanken an Dávids Lippen hing. Nach drei Jahren dürfte nicht viel Küssenswertes davon übrig sein. Wieder ein Gedanke, den es zu verscheuchen galt.
Die Seife duftete für einen Mann zu blumig, was ihn nicht daran hinderte, sie dennoch zu benutzen.
Frische Kleidung und etwas zu essen konnte er später holen.
Je länger Josias allein in der Kälte saß, umso schlimmer würden seine Angst und sein Misstrauen werden. Beides war Gift für jeden Heilungsprozess.
Noch ein frisches Tuch untergeklemmt und Mihály eilte den Weg zurück, stieß sich diesmal nicht an der Stufe, sondern an einer der Kisten, und fand fluchend den Ausgang.
Josias klappte der Kiefer hinunter, als er ihn zwischen Brombeersträuchern herauskommen sah.
„Wo bist du gewesen?“
„In meinem Keller, dann in meinem Haus.“
Skeptisch musterte er Rasiermesser und Seife. „Dann ist mein Bart auch dran?“
Welcher Bart? Sprach er von den paar Flusen am Kinn und dem Schatten auf der Oberlippe? Beides war kein Verlust.
Mihály tauchte die Seife ins Wasser und schäumte Josias Kopf ein. Vorsichtig zog er die Klinge darüber.
„Alle werden über mich lachen“, maulte Josias. „Noch mehr, als sie es ohnehin schon tun.“
Der Mann war drollig. Die Beulen auf seinem Rücken stammten von Schlägen und nicht von Gelächter und die restlichen Narben sahen auch nicht witzig aus.
Mit hohlen Händen schöpfte Mihály Wasser über die rosige Haut. Wieder tastete Josias über seinen Kopf.
„Jetzt deinen Bart.“ Der Schaum verteilte sich weich auf Josias Kinn und Oberlippe. „Lass den Mund zu. Seife schmeckt widerlich.“
Josias nickte, hörte aber sofort damit auf, als die Klinge über seine Kehle streifte. „Das Wichtigste beim Rasieren: Stillhalten.“
Langsam wanderte unter dem Messer Josias Kehlkopf hinauf und hinab.
Angst.
Verständlich, an dieser schutzlosen Stelle.
Merkte er, dass sein Kopf weiter im Nacken lag, als sicher jemals zuvor in seinem buckligen Leben? Die Angst vor dem Messer drückte ihn ganz von allein nach
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