Der Sodomit
Josias.
In Mihálys Herz zog es, so sehr drängte es ihn, diesem Mann zu helfen.
„Bitte, lass es mich versuchen.“
„Und wenn es nicht klappt?“
„Dann bist du immerhin auch mit krummem Rücken der Gehilfe eines Wundarztes und kein Prügelknabe für die picklige Dorfjugend.“
Endlich traute sich die Hoffnung aus der Deckung. Bis über die Ohren, bis über den grün und blau geschlagenen Rücken hinweg. Sie funkelte aus den Augen des jungen Mannes und steckte Mihály an.
Ob er ihm wirklich helfen konnte, stand in den Sternen. Die Lahmheit schien sich von allein zu geben, doch der Buckel nicht. Er drückte den Hals und damit den Kopf nach vorne. Die Nackenmuskeln traten ungewöhnlich weit hervor, und wenn sie so verspannt waren, wie sie aussahen, litt der Mann ständig unter Schmerzen. Doch dass sein Gesicht nach unten zeigte, lag nicht nur an dem Buckel. So groß war er nicht. Josias bewahrte eine Haltung, mit der er die Welt nicht sehen musste, oder in der er sich vor ihr verbergen konnte. Die vielen dünnen und längst verheilten Narben an seinen Schenkeln, am Gesäß, auf Rücken und Bauch sagten ihm, dass beides zutraf. Hatten sie ihn an den Pranger gestellt? Selbst über seine Leisten zogen sich die weißen Striche.
„Ich heiße Josias.“ Er blickte kurz auf, senkte aber mit einem leisen Stöhnen wieder den Kopf.
Der Rücken schimmerte in allen Farben des Regenbogens, aber die Platzwunde sah weniger schlimm als in der Nacht aus. Bartis Destillat half.
Die Kleine von Vlads Köchin hatte ebenfalls an einem krummen Rücken gelitten. Dem Mädchen hatte er helfen können, aber ihre Knochen waren aufgrund ihrer Jugend weich und formbar gewesen. Josias war kein Kind mehr.
Die verkürzten Muskeln mussten gezwungen werden, sich wieder auszudehnen, sonst hielten sie Josias für immer in dieser unglücklichen Lage fest.
„Die Kraft eines Menschen ruht in diesen festen Strängen.“ Sein Vater schnitt durch die tote Haut eines Oberarmes und klappte sie zu den Seiten weg. Mihály klammerte sie fest. Ein Ohr bei seinem Lehrmeister, das andere bei der Gewölbetür. Nach Ádám Szábos Meinung lernte der Mensch mit den Händen und Augen und nicht mit Büchern und einem klugen Kopf. Für die Verwirklichung dieser Ansicht setzte er regelmäßig ihrer beider Leben aufs Spiel.
„Das Gewebe bewegt die Knochen.“ Ádám Szábo tippte an den außen liegenden der faserigen Stränge. „Es stützt und trägt sie. Wie ein Korsett von innen. Ist es stark, geht der Mensch aufrecht und stolz durch sein Leben.“
Mihály schüttelte die Erinnerung an die vielen nächtlichen Forschungen mit seinem Vater ab.
Aufrecht und stolz. Beides würde zu dem hübschen Gesicht des jungen Mannes passen, aber freiwillig gaben weder die Rückenmuskeln noch Schulter- und Brustmuskulatur ihre Starre auf.
Ein Gestell mit Gurten. Am oberen Rücken mit einem Sattel ähnlichen Aufsatz, um die Wirbelsäule darüber spannen und strecken zu können.
Am besten auch einen Knebel, damit Josias nicht ganz Ungarn zusammenschrie. Das ganze mehrere Stunden jeden Tag und danach ein extrem steifes Mieder, damit der Rücken sich nicht wieder zusammenzog. Ein festes Lederwams zum Schnüren. Wenn er dem Sattler seine Ideen zu Papier brachte, konnte der es ihm sicher herstellen. Oder sollte er den Schuster bitten?
Josias beobachtete mit großen Augen, wie Mihály seinen Dolch aus dem Gürtel zog. „Die Haare müssen wirklich ab?“
„Wir werden einander nah sein, wenn du mit mir zusammen arbeiten willst.“
Der junge Mann nickte brav.
„Ich habe keine Lust, mich schon wieder selbst zu scheren, nur weil deine Läuse sich bei mir wohler fühlen.“
Ergeben neigte Josias den Kopf. „Dann fang an.“ Erschrocken sah er hoch. „Dann fangen Sie an, Herr Szábo.“
Das Stirnrunzeln folgte sofort. „Moment, gleich habe ich es.“ Er holte Luft und setzte erneut an. „Dann fang an, Mihály.“
Süß wie Honig. Gut, dass Josias davon keine Ahnung hatte. Es würde sonst den erfrischend naiven Charakter verderben und ihn am Ende zu einer Kopie von Silas werden lassen.
Dünnes Eis! , warnte eine Stimme in ihm.
Er hatte nie auf sie gehört.
Deshalb war Dávid tot.
Mihály prügelte den Gedanken aus seinem Kopf und setzte die Klinge an. Strähne für Strähne des hellbraunen Haares und all seiner krabbelnden Bewohner wurde von der Donau davongetragen. Josias hielt so still, wie er es mit seinem vor Kälte zitternden und geschundenen Körper
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