Der Sodomit
sollte zügig aus seinen Fehlern lernen. Sie entstanden nur, weil der Mann vor ihm mehr für ihn war, als ein einfacher Patient. Die Gefühle für Josias brachten ihn durcheinander. Wo war seine ärztliche Kompetenz? Sie hockte außerhalb seines Blickfeldes und schüttelte angesichts bodenloser Dummheit resigniert den Kopf.
Josias abschnallen und ihn sich aufwärmen lassen? Dafür war es zu spät. Die Wirbel hatten sich schon gedehnt. Blieb nur, es ihm erträglicher zu gestalten.
„Stell dir vor, wie du hocherhobenen Hauptes auf den Dorfschulzen in Dömös zugehst und er sich vor dir verneigt, weil er dich nicht erkennt und dich für einen Edelmann hält.“
Ein schmerzverzerrtes Lächeln huschte über Josias Lippen. Er schloss die Augen, atmete sehr tief, blieb aber ruhig liegen. Der Fackelschein glitzerte in seinem Schweiß. Mihály wischte mit den Lumpen über Josias Brust und seinen Bauch. „Soll ich dir eine Decke holen?“ Der Schweiß kühlte ihn aus.
„Nein.“ Unter den Wimpern sammelte sich eine Träne. „Es geht schon.“
„Wie war das mit dem Lügen?“
Wieder ein winziges Lächeln. „Ich lüge nicht. Du siehst doch, dass es geht. Immerhin liege ich hier und beweise es dir damit.“
Klug. Und tapfer. Vorsorglich knetete Mihály die verspannten und gerade auseinandergezogenen Schultermuskeln. „Ich verspreche dir, der netteste Folterknecht zu sein, den die Welt je erlebt hat.“
Wie schön es war, Josias trotz seiner Pein lächeln zu sehen.
Auch wenn es schon wieder unter den Wimpern glitzerte.
*
Dreck noch mal! Er heulte wie ein Weib! Schämen musste er sich vor Mihály, aber ändern konnte er es nicht. Es tat weh. Ganz erbärmlich. Als ob sein Körper zerrissen würde. Nie wieder würde er über die Geschichten missglückter Vierteilungen lachen.
Wie lange hielt er schon durch? Kroch die Zeit wie eine lahme Alte? Mihály unternahm keine Anstalten, ihn zu erlösen.
Die Vorstellung, in der der Dorfvorsteher vor Josias in der Scheiße kroch und ununterbrochen um Verzeihung winselte, verlor ihren Reiz. Auf was sollte er sich bloß konzentrieren? Überall waren nur Schmerz und das Bedürfnis, sich gegen diese verdammten Riemen zu lehnen, bis sie rissen.
Mihály legte seine Hand auf Josias Brust. „Dein Herz klopft stark und schnell. Wie eine große Trommel beim Tanz. Kannst stolz darauf sein. Starke Herzen sind selten.“
„Du willst mich nur aufmuntern.“ Wenn Mihály seinen Herzschlag spürte, spürte er auch seine Angst.
„Stimmt“, sagte er mit dieser freundlichen, recht tiefen Stimme. „Das gehört zu meinem Beruf. Aber dein Herz ist trotzdem ungewöhnlich stark. Glaube mir ruhig, ich kenne mich mit Herzen und ihren Eigenschaften aus.“
„Du bist Arzt.“
„Eben.“
„Du bist ein guter Arzt.“ Es war schön, mit ihm zu reden. Dann vergaß er seinen schmerzenden Körper. „Warum bist du in Visegrád und nicht in Rom oder Wien oder …“ Da war noch eine große Stadt. Seine Mutter hatte ihm davon erzählt. „Konstantinopel.“
Mihály lachte. „Ich kann gut Zähne ziehen und Knochen richten. Warum sollte mich eine Stadt wie Konstantinopel haben wollen? Dort leben weitaus bessere Ärzte.“
Keiner konnte besser sein als Mihály.
„Ich kenne Geschichten aus diesen Städten. Willst du sie hören?“
„Besser, als deine Knochenbildchen anzuschauen.“
Mihály lachte. Durch seine Hand übertrug sich das leichte Kribbeln bis in Josias Brust.
Er erzählte absonderliche Geschichten von zwei Brüdern und einer Wölfin, von Reitern auf wilden Pferden und krummen Säbeln, von Turbanen, die man sich stundenlang um den Kopf wickeln musste. Manche Geschichten waren traurig, andere lustig, aber sie lenkten Josias von dem Ziehen in seinem Rücken ab.
„Nur noch ein bisschen“, sagte Mihály irgendwann. „Du wirst sehen, es funktioniert.“ Sein Atem kitzelte Josias am Ohr. Er drehte den Kopf in die Richtung. Die Augen ließ er geschlossen, damit die Bilder von Gold überzogenen Palästen und wilden Reitern nicht aus seinem Kopf flohen.
„Du bist sehr tapfer, Josias.“
Neben dem würzigen Duft seines Atems roch er auch den Duft Mihálys Haut.
Er war ihm nah. Mihálys Wärme legte sich auf Josias Gesicht. Er wandte sich weiter in die Richtung, aus der die Stimme kam.
Seine Nasenspitze stupste an warme Haut. Strich über Bartstoppeln.
„Willst du noch mehr über die Hunnen erfahren?“
Ganz nah. Rau. Mihálys Stimme klang anders. Josias fühlte die Worte
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