Der Sog - Thriller
ja, ich habe einen Morphiumknopf.«
» Okay.« Nicholas stand auf. » Ich rufe später wieder …«
» Nein! Ich habe über Rowena Quill nachgedacht.«
» Wir auch. Laine ist hier bei mir.«
» Gut. Jetzt hören Sie zu. Haben Sie Lukas gelesen?«, fragte Pritam aufgeregt. » Lesen Sie Lukas!«
Nicholas drückte die Kippe am Türrahmen aus. » Pritam, Sie sind so was von high. Ich rufe später wieder an.«
» Psst, hören Sie zu. Lukas fünfzehn noch was. Eine Frau verliert eine Münze. Sie hat zehn, verliert aber eine. Und sie findet sie wieder und ist so glücklich!«
» Auf Wiederhören, Pritam.«
» Warten Sie! So fühlen sich die Engel, wenn ein Sünder bereut!«
Nicholas spähte mit zusammengekniffenen Augen ins Sonnenlicht. Ihm war schlecht von der Zigarette.
» Als hätten sie gerade zwanzig Cent gefunden?«
» Nein, Sie hören nicht richtig zu!« Pritam verdrehte in gespielter Verärgerung die Augen. Die Schwester lächelte und nahm das Telefon mit der andern Hand, damit sie seinen Infusionsbeutel überprüfen konnte.
» Mir ist im Moment nicht nach Reue«, sagte Nicholas.
» Sie doch nicht! Quill! Ich werde Quill helfen!«
Nicholas sah eine Würgatzel auf dem Komposthaufen landen. Der Vogel hatte einen Grashüpfer im Schnabel, und das Insekt strampelte wie verrückt. Nicholas ging durch den Kopf, dass er nie den Geist eines Vogels, eines Hundes oder eines Grashüpfers gesehen hatte. Hatten sie keine Seele? Oder starben sie nie vor ihrer Zeit? Oder spukten sie nur in der Geisterwelt ihrer eigenen Gattung herum? Nicholas wünschte er hätte noch eine Zigarette.
» Pritam? Hannah Gerlics Schwester wurde ermordet. Der Kerl, der sie getötet hat – angeblich getötet hat – hat vor der Polizeistation Selbstmord begangen.«
Pritams glänzende Laune verblasste ein wenig. » Oh.«
» Und erinnern Sie sich, dass ich Ihnen erzählt habe, ein Bauunternehmer habe ein Schild vor dem Wald an der Carmichael Road aufgestellt? Barisi Developments? Ein Tony Barisi hat letzte Nacht ebefalls Selbstmord begangen.«
» Oh«, wiederholte Pritam. Er drückte den Morphiumknopf, aber nichts passierte. Er hatte sein momentanes Limit erreicht. Eine letzte Facette Sonnenlicht flackerte an der Decke auf und verschwand. Eine andere Schwester, älter, mit kurzem braunem Haar erschien im Eingang. Joanna winkte – kannst du hier weitermachen? Die braunhaarige Schwester zuckte mit den Achseln und nahm das Telefon. Joanna flüsterte ihr etwas ins Ohr, lächelte Pritam an und eilte hinaus. Pritam blickte auf das Namensschild der neuen Schwester: Helen Muir.
» Ich glaube, Quill hat meinen Vater getötet«, sagte Nicholas ohne Umschweife.
Pritam spürte den Schmerz in seiner gebrochenen Hüfte und seinem zertrümmerten Bein zurückkehren – ein Wurm mit scharfen Zähnen, der sich in seinem unruhigen Schlaf regte.
» Nichts hat sich verändert, oder?«
» Nein«, erwiderte Nicholas. » Aber wenigstens wissen wir Bescheid. Wir werden in den Wald gehen.«
» Sie und Laine?«
» Ja. Hören Sie, seien Sie vorsichtig, ja?«
» Ich kann im Moment nicht viel herumrennen.«
» Sie wissen schon, was ich meine«, sagte Nicholas.
» Ich soll auf kleine weiße Hunde achten?«
» Solche Dinge, ja.«
» Okay.« Pritam fühlte sich müde. Vielleicht ein Nickerchen jetzt? » Nicholas?«
» Ja.«
» Ich habe es ernst gemeint, vorhin, auch wenn ich nicht wusste, dass Sie es waren. Gott sei mit Ihnen, an diesem vom Himmel geschickten Morgen.«
Nicholas sah, wie der Vogel den immer noch strampelnden Grashüpfer schluckte. » Und mit Ihnen auch.«
Sie verabschiedeten sich, und Pritam nickte der braunhaarigen Schwester zu. Sie stellte das schnurlose Telefon ab und langte hinter ihn, um das Kissen zu richten.
» Danke, Helen«, sagte Pritam.
» Gern geschehen, Mr. Anand. Aber Helen stimmt nicht«, fügte sie an und lächelte über seinen Irrtum. Sie klopfte auf ihr Namensschild.
Pritam blinzelte, und es war, als würde sein Körper von einer Welle Eiswasser durchspült. Auf dem Schild stand: » Rowena Quill.«
Er griff nach dem Rufknopf, aber seine Finger waren träge wie Brackwasser. Sie zog den Knopf mühelos weg und lächelte wieder. Pritam sah, dass sie Eleanor Brethertons Augen hatte – hart und glänzend.
» Wollten Sie jemanden rufen?«, fragte sie freundlich.
Ein irischer Akzent, dachte er. Nach all diesen Jahren …
» Nein«, sagte er. Seine Kehle war zugeschnürt vor Angst.
Sie nickte, wie um die Zufriedenheit
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