Der Sog - Thriller
Schaft ratterte gegen die vier Dosen Insektenspray und die zwei Dosen Pestizide. Die Tasche enthielt außerdem Gummihandschuhe und einen Kricketschläger, um Spinnweben aus dem Weg zu räumen, eine Flasche Kerosin und den Kauf, auf den er am meisten stolz war: Imitationen von Zippo-Feuerzeugen, fabriqué en Chine. Er warf noch eine Schachtel Munition in die Tasche und schloss den Schrank wieder ab.
Er schlich unter dem Haus hervor und zur Einfahrt. Es war zwei Uhr nachmittags. Er hatte Stunden gebraucht, um seine ganze Ausrüstung zusammenzustellen, und er hatte Suzette angerufen und ihr erzählt, was mit Miriam Gerlic, Pitram und Laine passiert war, und wie die Rune, die er auf Laines Brust gemalt hatte, offenbar etwas Gutes bewirkt hatte. Er blickte auf. Die Sonne hatte ihren Zenit gerade überschritten und sank in Richtung Westen. Er schwang sich die Tasche über die Schulter. Es war, als wäre er wieder zehn Jahre alt, und als würden er und Tristram sich darauf vorbereiten, gegen die Japaner in Wewak oder die Deutschen in El Alamein zu kämpfen … nur dass das Gewehr diesmal echt war.
» Tommy-Gewehre?«, fragte er den Jungen, der schon so lange, lange tot war. » Natürlich«, antwortete er und schritt zu seinem Wagen.
Unter der Markise der Läden in der Myrtle Street regte sich nichts.
Nicholas ging auf Plough & Vine Health Foods zu, eine Hand steckte in der Sporttasche und hielt den Griff der Flinte umklammert. Er überlegte, dass die Sache gar keinen guten Ausgang nehmen konnte. Im besten Fall würde er für den Mord an einer unbekannten alten Frau ins Gefängnis wandern. Im schlimmsten Fall … ach, da waren tausend Möglichkeiten denkbar. Eine der weniger erschreckenden war, dass er es Gavin gleichtun würde, ehe Garnocks umfangreiche Familie die Gelegenheit bekam, sich gründlich mit ihm zu beschäftigen.
Die Tür des Ladens war verschlossen. Ein Schild hing an der Scheibe: » Wegen Krankheit leider geschlossen.«
Er schirmte die Augen ab und spähte durch die Scheibe. Im Laden war alles dunkel und still. Er seufzte erleichtert. Jetzt konnte er zu Plan B übergehen.
Und der war hoffnungsvoller. Er konnte den Kampf an einem abgelegenen Ort austragen, wo vielleicht niemand die Schüsse hören würde. Der Nachteil dabei war, dass es ihr Ort war. Der Wald.
Eine Bewegung sprang ihm ins Auge.
Eine Hausspinne hüpfte von ihrem Versteck auf einem Holzbalken der Markise. Sie seilte sich an dem Faden ab, den sie hinter sich wob, und landete geräuschlos auf der Erde. Dann huschte sie um die Ecke und krabbelte den Fußweg in Richtung Carmichael Road entlang.
Nicholas wollte ihr nachsetzen und sie zertreten, aber dann hielt er inne. Sie soll ruhig Bescheid wissen, dachte er. Sie soll wissen, dass man hinter ihr her ist. Selbst wenn sie mich kriegt – und Gott verhüte, Laine, Pritam und Suze – dann hat sie wenigstens zu spüren bekommen, wie es ist, gejagt zu werden. Sie wird erkennen, dass sich Dinge ändern können. Es geht nicht immer so, wie sie es will. Jetzt nicht mehr.
Er stieg in den Wagen und steuerte in Richtung Carmichael Road.
Suzette beobachtete ihren Sohn aufmerksam. Ihr Herz schlug schnell.
Nach Nicholas’ Anruf am Morgen war ihr schlecht geworden, sie war ins Badezimmer gegangen und hatte ihr ganzes Frühstück wieder ausgespuckt. Aber dann hatte sie die Begeisterung über seine einzige gute Nachricht auf hurtigen Beinen in Nelsons Schlafzimmer getragen.
Ihre Finger hatten gezittert, als sie das Schälmesser über die Haut seines Daumens zog – sie wollte ihrem kleinen Jungen nicht wehtun. Aber er hatte noch nicht einmal gezuckt, als der Stahl in seine Haut gefahren war und sich kleine rote Tropfen um die Klinge gebildet hatten. Rasch hatte sie sein Pyjamaoberteil geöffnet, den Zeigefinger in sein Blut getaucht und dieses hässliche Symbol über sein Herz gemalt.
Das war vor zwei Stunden gewesen. Inzwischen saß Nelson vor dem Fernseher und kaute hungrig Toast, während er ein Videospiel spielte.
Suzette und Bryan wechselten einen Blick.
» Du kennst meine Ansicht«, sagte Bryan. Sie merkte ihm an, dass er unglücklich war. Seine Stimme war eine Oktave tiefer als sonst, und seine Worte kamen abgehackt heraus.
» Ich muss hin.«
» Du musst nicht.«
Sie zuckte mit den Achseln. » Ich darf nicht zulassen, dass er dort oben bleibt.«
» Dann lass uns alle …«
» Nein«, sagte sie laut. Nelson blickte von seiner Spielkonsole auf. Suzette winkte ihm zu – alles in Ordnung.
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