Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
selbst nicht erklären, geschweige denn der Polizei. Zufällig einen dunklen Wald mitten in einer regnerischen Nacht betrachten, in der ein Junge verschwindet? Himmel, du benimmst dich, als wärst du schuldig! Sie brauchen das nicht zu wissen. Reiß dich zusammen!
    » Nein.«
    Polizist Fossey griff nach seinem Notizbuch. Die rechte Hand des Gorillas rutschte wie beiläufig ein wenig tiefer, näher zur Dienstpistole.
    » Wie heißen Sie, Sir?«
    » Nicholas Close. Hören Sie …«
    Der Beamte schrieb in sein Notizbuch, fragte: » C-L-O-S-E? «
    » Was ist los, Nicky?« Katharine tauchte lautlos hinter ihrem Sohn auf und fummelte am Gürtel ihres Morgenmantels herum.
    Die Polizisten wechselten einen Blick.
    » Ein kleiner Junge wurde als vermisst gemeldet, Ma’am.«
    Silberrücken hielt das Bild für Katharine in die Höhe.
    » Du meine Güte.« Nicholas, der ihre Stimme sehr gut kannte, konnte ein Zittern ausmachen. » Ist er von hier?«
    » Ja. Dieser Herr sagt, er ist gestern Abend von Übersee zurückgekommen?«
    Nicholas sah, wie die Augen seiner Mutter eine Idee schmaler wurden.
    » Mein Sohn. Ja, das stimmt.«
    » Wann ist er angekommen?«
    » Kurz nach halb zwölf. Sein Flugzeug landete um 21.50 Uhr, was bedeutet, er hat es in außerordentlich kurzer Zeit geschafft, den Zoll zu passieren, einen Wagen zu mieten und hierher nach Hause zu kommen.« Ihre Worte kamen knapp und schnell, das Zittern war durch etwas Härteres ersetzt worden. » Wir haben uns bis Viertel nach zwölf in der Küche unterhalten und sind dann beide zu Bett gegangen, und es ist ohne Frage tragisch, dass ein Kind bei diesem Regen verloren geht, aber ich fürchte, ich verstehe nicht, wohin das hier führen soll.«
    Die beiden großen Männer wichen beinahe unmerklich zurück. Nicholas ließ die Schultern hängen. Er war Mitte dreißig, und noch immer musste ihn seine Mutter vor Schwierigkeiten bewahren.
    » Wir stellen nur Fragen«, sagte Fossey.
    » Das verstehe ich sehr wohl. Haben Sie noch welche?«
    Die Beamten wechselten einen Blick.
    » Nein. Catherine mit C?«
    » Mit K und zweimal A. Alles Gute, meine Herren. Ich hoffe und bete, der kleine Kerl taucht wohlbehalten wieder auf.«
    Fossey führte Silberrücken in den Regen.
    Katharine schloss die Tür. Sie schlang die Arme um sich selbst. » Ich hasse es, dass man als Mann automatisch ein potentieller Sexverbrecher ist. Frauen tun es nämlich auch.«
    Nicholas nickte. Er war schrecklich müde, aber Schlaf schien einen weiten Ozean entfernt zu sein. Als sie sich auf den Rückweg zu ihren Zimmern machten, sah er Adern wie purpurne Würmer über die Knöchel seiner Mutter kriechen.
    » Was hat dich geweckt, Mum?«
    Katharine sah ihn an und öffnete den Mund, um zu lügen. Aber sie zögerte. Und in diesem Moment sah Nicholas wieder den Tribut der Jahre auf ihrem Gesicht.
    Wir werden alt.
    » Ich habe schlecht geträumt. Von dir, als du klein warst. Du und dein Freund, oben an der Straße.«
    » Tristram Boye. Hast du gesehen, wie ähnlich dieser Junge …«
    Sie nickte. » Nur warst du es in dem Traum, der …«
    Ihre Stimme verlor sich.
    Gestorben ist.
    Das Prasseln des Regens war so massiv wie die Dunkelheit draußen. Er küsste sie auf die Wange. Sie fühlte sich trocken und dünn wie Papier an.
    » Sie finden ihn bestimmt«, sagte er.
    Sie gingen wieder ins Bett.
    Drei Tage später fand die Polizei den Jungen tatsächlich.
    In den ersten beiden Tagen hatten sie öffentliche Toiletten, überwachsene Rangiergleise und moosige Bachdurchlässe durchsucht, aber der sintflutartige Regen erschwerte die Suche. Polizeitaucher standen bereit, um an Stahlkabeln gesichert den Fluss und die Flutkanäle abzusuchen, durch die das Wasser wie in Stromschnellen rauschte, aber die Aufgabe wurde als zu gefährlich eingestuft. Eine Gruppe von Freiwilligen wartete in der Turnhalle der Highschool von Tallong darauf, den Wald an der Carmichael Road zu durchforsten, aber der Regen fiel weiter schwer wie Theatervorhänge, weshalb sie im Gebäude blieben, löslichen Kaffee aus Styroporbechern tranken und Trivial Pursuit spielten. Das tief hängende dunkle Wolkenmeer am Himmel schien sich nicht vom Fleck zu bewegen.
    Die Mutter des Jungen hieß Mrs. Thomas, eine nicht sehr redegewandte Frau, die nach allem, was man hörte, aber eine talentierte Reifenmonteurin war und regelmäßig die Uniting Church am Ort besuchte. Sie erschien in den Abendnachrichten und bat mit belegter Stimme alle um Hilfe, die ihren Jungen

Weitere Kostenlose Bücher