Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
vielleicht sieben oder acht Meter in beide Richtungen, ehe es von Schlingpflanzen und Nesseln verschluckt wurde. Wenn er an seine dunkle, rostige Wölbung klopfte, würde es hohl und traurig klingen wie ein Burgverlies.
    An dieser Stelle haben wir einander verlassen, dachte er. Tristram und ich. Sein Mund war trocken. Der erinnerte Geschmack des Schreckens war kräftig wie Alaun.
    Wo die mächtige Wasserleitung das felsige Bachbett kreuzte, war ihr altes Betonfundament tiefer. Zwei parallele Tunnel, jeder knapp einen Meter breit, durchbohrten den Betonsockel wie dunkle Nasenlöcher.
    Nicholas blieb stehen, seine Lungen arbeiteten immer noch hart daran, sich den Sauerstoff zurückzuholen, den er bei seiner wilden Jagd verbraucht hatte. Sein Keuchen war das einzige Geräusch. Kein Wind ließ Blätter rascheln. Kein Vogel rief. Kein Insekt zirpte.
    Das Rohr war zu hoch, als dass er darüber klettern konnte. Es lief weiß Gott wie weit in beide Richtungen in den Wald. Die einzige Möglichkeit, auf die andere Seite zu gelangen, führte unter ihm durch die schmalen Tunnel hindurch.
    Er ging in dem Bachbett näher an das Rohr heran, und seine Schritte ließen Steine wie Kastagnetten klappern, das Geräusch hallte in den geteilten Tunneln, als würde das Gebiss eines toten Riesen aufeinanderschlagen.
    Er kniete nieder.
    Die Zwillingstunnel liefen vier Meter oder mehr mitten durch den Betonsockel des Rohrs. Es war finster wie die Nacht in ihnen, aber Nicholas konnte am andern Ende jeweils einen schwachen Lichtkreis ausmachen. Doch diese Kreise waren wie von einem Schleier verhüllt und unvollkommen. Schwarze Gestalten durchquerten sie, rauten ihre Ränder auf und sprenkelten sie mit kleinen, bewegten Silhouetten.
    Spinnen.
    In beiden Tunneln wimmelte es von Spinnweben und Spinnen. Und was immer den toten Jungen zugestoßen war, es war auf der anderen Seite passiert.
    Nicholas stand auf, machte kehrt und marschierte durch das Bachbett zurück zu der Steilwand, zurück zur Carmichael Road.
    Zum zweiten Mal in seinem Leben hatten ihn die Spinnen besiegt.

5
    November 1982
    Es war Sonntagmorgen, und Nicholas und Tristram kauerten hochkonzentriert in sonnigen Flecken auf der vorderen Veranda des Boye’schen Hauses. Sie hatten zwei gewaltige, einander gegenüberliegende Rampen aus Tristrams scheinbar unerschöpflichem Vorrat an orangefarbenen Schienen für seine Rennautos aufgebaut. Ab und an blickten die Jungen von ihren Anstrengungen auf und grinsten einander an. Das würde einen Wahnsinnszusammenstoß geben.
    Tristram und seine Familie wohnten in der Straße hinter den Closes, in einem (wenn man Katharine Close fragte) Palast von Haus. Nicholas sprang immer über den Gartenzaun der Closes (einer windschiefen Reihe von das ganze Jahr über feuchten Hartholzpfählen, die von einer dichten Krone aus Engelstrompeten zusammengehalten wurden), lief durch Mrs. Giles’ Garten und dann den Arlie Crescent hinauf zu dem mächtigen Haus Nummer sieben.
    Die Boyes waren vor zweieinhalb Jahren eingezogen.
    Nicholas und Tristram wurden Freunde. An jedem Schultagmorgen um Viertel vor acht nahm Tristram die Abkürzung durch Mrs. Giles’ Garten, und dann begleiteten er und Nicholas widerwillig Suzette zur Schule. Die Vorstellung, sie beide seien ihre Leibwächter, bereit, sich auf jeden Möchtegernangreifer zu stürzen oder sich in den Schuss eines Attentäters zu werfen, entschädigte die Jungs für das mädchenhafte Geplapper über Liebeszauber, die Klugheit von Bienen und das Tolle an Balkendiagrammen.
    Nach der Schule, wenn die Hausaufgaben erledigt waren, und an den Wochenenden ging Nicholas zu den Boyes hinüber. Das war besser, denn ihr Haus war im Vergleich zur Lambeth Street 68 tatsächlich ein Palast. Die Boyes hatten vier Schlafzimmer, zusätzlich zum großen Schlafzimmer von Mr. und Mrs. Boyes, das sein eigenes Bad besaß (Tristram hatte Nicholas an einem Samstag einmal einen Blick hineinwerfen lassen, als seine Eltern sie allein zu Hause gelassen hatten und Gavin bei einem Footballspiel war), zwei weitere Badezimmer(Tristram nannte sie » Klohäuschen«) und breite Veranden auf drei Seiten. Am besten war, dass das gesamte Haus auf Stelzen stand, so dass darunter eine gigantische Fläche mit kühler, dunkler Erde zur Verfügung stand, um Rennautos fahren zu lassen, Experimente mit Bleiche und allerlei Werkstattchemikalien durchzuführen, Spielzeuggewehre zu bauen und Ameisen zu quälen, indem sie sie in konische Ameisenlöwengruben

Weitere Kostenlose Bücher