Der Sog - Thriller
Sie hatten einen Rumpf aus Aluminium und rosteten nicht. » Toll. Meinst du, dein Vater lässt dich mal fahren?«
Tristram schüttelte den Kopf und grinste. Das war etwas, das Nicholas an ihm gefiel: Tristram mochte reich sein, aber er war ehrlich. » Aber ich glaube, er wird Gavin fahren lassen. Der ist jetzt dreizehn. Dad hat mit dreizehn auf Opas Traktor das Fahren gelernt, also …« Da seine Rampe nun fertig war, kauerte sich Tristram auf die Fersen und sah Nicholas an. » Was wolltest du mir noch erzählen?«
» Was meinst du?«
Tristram kam und half Nicholas, seine Rampe fertig zu bauen.
» Du sagtest, du hast am Mittwoch auf dem Heimweg von der Schule etwas gefunden. Dann bist du ganz komisch geworden und hast nichts mehr gesagt.«
Nicholas spürte, wie ihn ein wenig von der Wärme des Morgens verließ. Der tote Vogel am Rand des Walds. Der Vogel ohne Kopf … oder mit einem merkwürdigen Kopf aus geflochtenen Zweigen und seinen eigenen dürren Beinen. Er hatte Tristram auf dem Heimweg von der Schule am Donnerstag und Freitag davon erzählen wollen, aber Suzette war dabei gewesen, und er wollte sie nicht mit Horrorgeschichten über Vögel mit abgeschnittenen Beinen und die Verrückten, die so etwas taten, erschrecken. Sie war im Moment leicht aus der Fassung zu bringen; zum Beispiel hasste sie es, an den Läden vorbei nach Hause zu gehen, wollte aber nicht erklären, wieso. Und wenn er ehrlich war, wusste er nicht, wie er die Geschichte über den Vogel formulieren sollte. Er wollte gern cool klingen, sachlich. Aber er wollte auch, dass sein bester Freund verstand, wie unheimlich es gewesen war, wie der Anblick des Vogels – nicht nur schlaff und tot, sondern so hilflos und verstümmelt – eine unerklärliche Angst in ihm ausgelöst hatte.
» Ich habe unten beim Wald einen toten Vogel gefunden.«
Tristram riss das Klebeband mit den Zähnen ab und befestigte die Rennschienen an den Telefonbüchern. » Und?«
» Der Kopf und die Beine waren abgeschnitten.«
Er beobachtete Tristrams Reaktion. Jetzt entschied es sich: Wenn Tristrams Miene ernst blieb, konnte er die Geschichte bis zu ihrem bizarren Ende erzählen. Aber wenn sein Gesichtsausdruck » So ein Quatsch« signalisierte, würde er die Sache rasch abtun und das Thema wechseln. Tristram blickte auf, und Nicholas wurde von einem warmen Gefühl für seinen Freund durchströmt: Sein Gesichtsausdruck war ernst und fragend.
» Ja? Wie von einem Mäher abgeschnitten? Das Gras dort wird nämlich gemäht.«
Nicholas schüttelte den Kopf. » Nein, richtig abgeschnitten. Absichtlich.«
Er beschrieb, wie der Kopf des Vogels gefehlt hatte und durch eine von Menschenhand gefertigte Kugel aus geflochtenen Zweigen ersetzt worden war, mit den Beinen des armen Geschöpfs als Hörnern und dem seltsamen Symbol, das ihm aufgemalt war, und zwar mit Blut, wie es aussah. Bis er fertig erzählt hatte, war Nicholas’ Stimme zu einem Flüstern abgeklungen, und sein Herz pochte in der Brust.
» Und?«, fragte Tristram. Sie kannten sich gut genug, um zu merken, wann noch nicht alles gesagt war.
» Und ich glaube …« Nicholas biss sich auf die Lippen und furchte die Stirn. » Ich glaube, etwas hat sich von hinten genähert.« Aus dem Wald. Er schüttelte den Kopf. » Aber ich weiß es nicht mehr genau. Ich erinnere mich an einen üblen Geruch, und dann bin ich nach Hause gerannt.«
» War es … war es ein Erwachsener?«
Nicholas dachte darüber nach. » Ich weiß es nicht. Ich glaube schon. Es hat sich auf jeden Fall … groß angefühlt. Und alt.«
Tristram nickte und kaute auf der Unterlippe. » Habe ich dir erzählt, dass ich eine Katze da unten gefunden habe? Gleich nachdem wir eingezogen sind, bevor wir Freunde wurden? Eine tote Katze auf dem Kiesweg.«
Nicholas schüttelte den Kopf.
» Es waren eigentlich nur noch Knochen«, sagte Tristram. Er senkte die Stimme langsam zu einem Flüstern. » Seit einer Ewigkeit tot. Orangerotes Fell, eingetrocknet wie eine Mumie. Aber sie war übel zugerichtet. Die Pfoten waren abgeschnitten.«
Nicholas war baff. Es machte ihm nichts aus, dass er übertrumpft wurde – tote Katze schlug toten Vogel locker. Außerdem gab Tristram diesmal nicht an. Tatsächlich war es das erste Mal, soweit er sich erinnerte, dass sein Freund so … beunruhigt aussah.
» Hast du es deinen Eltern erzählt?«
» Hast du was deinen Eltern erzählt?«, fragte Mrs. Boye, die mit zwei Fruchtsäften und einem Teller Snacks aus dem Hausflur
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