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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Diashow im Badezimmer einer kleinen Wohnung in Ealing. Dieses Gebäude war nicht weniger eine Krypta wie jede Steinkammer im Friedhof von Newham. Die Zeit lag hier begraben.
    Er war versucht, die Garage zu verlassen, wieder ins Bett zu gehen und zu beten, dass sein Frösteln von etwas Ernsthaftem wie Lungenentzündung oder Denguefieber kam. Doch er wusste, er musste bleiben. Er hatte eine Ahnung. Etwas hier drin wartete darauf, gefunden zu werden.
    Seine Augen gewöhnten sich an die Düsternis. Er legte den Kopf in den Nacken.
    Zwischen den Trägern über ihm waren zwei alte Malerbretter durchgeschoben worden, jedes dick wie sein Handgelenk und grau vor Alter, mit einem gedämpften Regenbogen aus Farben bespritzt, die schon trocken gewesen waren, als Nixon zurücktrat. Auf diesen Brettern lagen die Koffer seines Vaters.
    An der rückwärtigen Wand lehnte eine hölzerne Stehleiter, die ebenfalls voller Farbspritzer war. Schlingen fester Spinnweben hingen zwischen den Sprossen wie Hängematten in einem gesunkenen Schiff. Nicholas holte tief Luft – die Anstrengung ließ ihn heftiger zittern – und blies so viel Staub von der Leiter wie er konnte. Dann zog er sie von der Wand fort, stellte sie unter die Bretter und stieg hinauf.
    Er kam auf Augenhöhe mit dem ersten Koffer; Zentimeter von seinem Gesicht entfernt hing eine Spinne von der Größe eines Untersetzers an dem Plastikgriff. Er fuhr instinktiv zurück und verhinderte einen Sturz von der Leiter nur, indem er nach dem roten Deckenbalken griff. Ein Splitter drang ihm tief in das weiche Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger. Er stabilisierte sich. Die Spinne tanzte in der bewegten Luft auf und ab, leicht wie Seidenpapier. Es war nur eine leere Hülle, die an einem Webfaden hing. Nicholas fühlte sein Herz flattern wie einen eingeschlossenen Sperling; er schnippte den Spinnenpanzer beiseite und begann die Koffer auf den Boden hinunterzutragen.
    Unten wirkten sie kleiner. In Staub gehüllt und verzogen durch den Wechsel feuchter und trockener Jahreszeiten, sahen sie verloren und schutzlos aus. Zwei waren im gleichen schwarz-beigen Fischgrätmuster gehalten, der andere war einmal kadavergrün gewesen.
    Letzteren zog Nicholas zu sich. Seine Plastikecken hatten Sprünge vom Alter; die Schnappschlösser waren braun und eingerostet. Er drückte fest, das Schloss sprang auf und der Deckel hob sich ein winziges Stück. Er klappte ihn auf; die verrosteten Angeln seufzten wie ein schlecht schlafender Mann.
    Die Kleidungsstücke in dem Koffer waren derart von Motten zerfressen, dass eine mutmaßliche Strickjacke, die er hochhob, in seinen Fingern zerbröselte. Aber sein Blick fiel auf etwas, das unberührt von dem Ungeziefer geblieben war: das Kunststoffetikett im Kragen. Größe 38 stand darauf. Eine Nummer kleiner als meine, dachte er. Ehe er wusste, was er tat, hob er das zerfallende Gewebe an seine Nase und sog die Luft tief ein. Eine unerquickliche Mischung aus Lanolin und nasser Erde. Nichts von dem Menschen. Er ließ die Fetzen fallen.
    Im Kofferdeckel war ein Einschub für Schuhe, das Gummiband hatte längst seinen Zug verloren und hing herunter wie ein schlaffer Mund. In dem Einschub lagen Zugfahrkarten aus Pappkarton, alle mit einem kleinen Loch darin, und ein paar Bronzemünzen. Unter der zerfressenen Wolle und den Ausscheidungen der Motten lagen ein paar rostige Tabaksdosen. Nicholas schob den Koffer beiseite und zog sich einen neuen heran.
    Auch dieser wollte sich zunächst nicht öffnen lassen. Er ging zur Werkbank, fand einen Schraubenzieher – mit vor Rost körnigem Schaft – und stemmte das störrische Schloss auf. Der Koffer enthielt Bücher. Sie waren ebenfalls von Insekten befallen worden, aber offenbar waren sie weniger schmackhaft und nur leicht beschädigt. Sie rochen kräftig – mehlig und reif. Nicholas hob sie eins nach dem andern heraus. Einige waren billige Dinger, deren Rücken abging, sobald er sie berührte; andere waren gewichtig, mit dunklen, glänzenden Einbänden. Bücher über Spiritualismus, Hellsehen, heidnische Götter, irische Mythologie – genau ein Dutzend. Er schob sie zur Seite und machte sich an den letzten Koffer.
    Dieser war der kleinste und schwerste. Er ließ sich widerstandslos öffnen, und Nicholas spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Weitere Bücher: Kräuter und Magie. Druidentum. Voodoo. Die Apokryphen. Obwohl ihm Suzette bereits gesagt hatte, dass die Bücher da waren, erstaunte es ihn, sie in der Hand zu

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