Der Sog - Thriller
Angst.
Nein. Sie würden heute Morgen nicht über Kindermörder sprechen.
Schließlich drehte sie sich um, ein strahlendes, aufgesetztes Lächeln im Gesicht. » Tee ist fertig, und der Porridge ist gleich so weit. Du siehst blass aus.«
» Posttraumatisches Stresssyndrom«, sagte er. Er setzte sich.
» Vielleicht hast du eine Erkältung.«
Himmel, dachte er. Wenn eine Erkältung alles wäre, was ich habe … » Ist die Zeitung schon da?«
Sie wies mit einem Kopfnicken zur Haustür.
Nicholas stand wieder auf, schlurfte durch den Flur zurück und öffnete die Tür.
Er stieß einen überraschten Schrei aus. Draußen stand Gavin, das Gewehr unter dem Kinn. Einen Moment später machte das Gewehr einen lautlosen Ruck, und Gavins Kiefer spaltete sich. Der Geist lächelte Nicholas zu, setzte die Waffe unter seinem ruinierten Kinn neu an und drückte noch einmal ab. Gavins Schädeldecke flog heraus, und er stürzte ohne einen Laut zu Boden.
Nicholas stand wie erstarrt.
Einen Moment später war Gavin verschwunden.
» Verdammte Scheiße«, flüsterte Nicholas. Seine Stimme zitterte.
» Was hast du gesagt?«, rief Katharine.
Gavin war jetzt fünfzig Meter weiter oben in der Lambeth Street und ging auf das Gartentor zu. Das Morgenlicht strahlte hart.
» Nicholas?«
» Nichts.«
Er biss die Zähne zusammen und eilte zum Gehweg hinunter, wo die Zeitung zusammengerollt im Tau lag. Auf dem Weg zurück ins Haus überholte er Gavin.
Katharine hatte den Porridge ausgeteilt. Nicholas starrte müde auf seine Schüssel.
» Ich glaube, du bist krank«, sagte sie.
Er schüttelte den Kopf. Ihm war, als müsste er sich jeden Moment übergeben, als hätte er eine Tasse altes Blut geschluckt. Er fror.
Katharine legte ihm den Handrücken an die Stirn. Er spürte ihre dünne Haut vibrieren. Sie zitterte.
» Ein bisschen heiß«, sagte sie.
Er trank einen Schluck Tee und ließ seinen Porridge unberührt stehen.
» Ich bin in der Garage.«
Er fühlte ihre Augen auf seinem Hinterkopf, während er zur Gartentür ging.
Katharine sah, wie sich eine Haut über dem Haferbrei in ihrer Schüssel bildete. Es war, fand sie, genau die Farbe der Kacke, die aus ihren Kindern geflossen war, als sie stillte – weizenfarben mit dem süßen Geruch gerade umschlagender Milch. Sie ließ ihren Löffel absichtlich laut fallen.
» Schön«, sagte sie zu sich selbst.
Du bringst diese Geschöpfe in die Welt. Du lenkst ihre kleinen, hin und her wackelnden, dummen Köpfe zu deinen Warzen, die erst geschwollen sind, dann schmerzen und dann taub werden, du wechselst zehntausendmal die Windeln … aber was bringt es dir ein? Dass sie dich lieben? Dass sie mit dir reden? Dass sie brav sind?
Nein. Nein. Nein.
Sie war zornig. Und ihr Zorn köchelte auf niedriger Stufe weiter, weil er sich selbst nährte; sie wusste nicht, wieso. Vor ein paar Wochen war alles noch so normal gewesen. Wunderbar langweilig. Eine warme, glatte Routine. Nach dem Duschen konnte sie jeden Tag gemütlich angehen lassen: Frühstück, Aufräumen, den letzten Brand ansehen, den Bruch entfernen, die dicke Plastikhülle vom Ton schälen, den Kessel zum Kochen bringen, die Töpferscheibe anfeuchten … Und dann war Mittagszeit, und es gab die Möglichkeit eines Anrufs aus Sydney oder London. Aber jetzt … alles hatte sich sehr schnell geändert. Alte Dinge waren wieder aufgetaucht, Gefühle und Ängste, die sie längst abgelegt glaubte. Es war, als würde man in einem Stapel verblassender Fotos aus glücklichen Tagen plötzlich auf das Bild des Mannes stoßen, der einen sitzengelassen hat.
Es ist aber sehr viel mehr dahinter, dachte sie. Er hat den Tod an deine Tür gebracht.
Sie presste die Kiefer aufeinander und starrte in ihren Tee. Wessen Schuld war das? Sie wollte nicht darüber nachdenken und beeilte sich, Zucker über die gelatineartige Oberfläche ihres abkühlenden Haferbreis zu streuen.
Spielt sich nicht immer alles genau so ab wie bei diesem Brei? Erst ist es eine Weile heiß und gefährlich, dann kühlt es ab, und du bildest eine Haut, um alles hübsch getrennt zu halten. Wie etwa, dass sie Alltagsdinge wie Gasrechnungen und undichte Spülkästen – das echte Leben – von der Verträumtheit und Jenseitsgerichtetheit fernhielt, die Don umgeben hatte wie die Düfte Arabiens einen schwerfälligen Kletterjasmin. Dieses Träumerische hatte sie viele Jahre lang bezaubert, dann beunruhigt und schließlich rasend gemacht. Und nun sah sie es in ihren Kindern, und es machte
Weitere Kostenlose Bücher