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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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denen sie von diesem dunklen, kleinen Laden geträumt hatte, wo Kleider und Anzüge wie die Umhänge schurkischer Kreaturen in einem alten Film mit Christopher Lee herumhingen? Quill war tot, sie lebte schon lange nicht mehr. Wieso hatte Suzette neulich Abend ihren Namen erwähnt? War es nur Zufall?
    Katharine wischte sich unter der Nase entlang, fuhr sich mit den Fingerspitzen durchs Haar, strich ihr Kleid glatt. Ja. Natürlich war es Zufall. Aber um sicherzugehen, konnten ein paar Erkundungen über Quill nicht schaden.
    Sie wusste, an wen sie sich wenden musste. Sie würde morgen hingehen.
    Sie öffnete ihre Schlafzimmertür weit und ging in die Küche, um sich zu ihrer Tochter zu setzen.
    Konditoreien in der Ackland Street. Das sonnenwarme Holz der Anlegestelle in St. Kilda, die geziert ihre Röcke hob, um in das sommerliche Wasser zu steigen. Gute Musik. Phantastischer Kaffee. Leben.
    Nicholas lag auf der Couch in seiner Wohnung und dachte an Orte, zu denen er aufbrechen konnte. Melbourne klang einladend. Perth ebenfalls. Und das Hunter Valley. Launceston. Tatsächlich hörte sich alles gut an. Alles außer hier.
    Er hatte keine Ahnung, wie spät es genau war, aber es war lange, lange nach Mitternacht. Er konnte nicht schlafen. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, tauchten Bilder auf und spukten so gewiss in seinem Kopf herum, wie Geister in seinem ganzen Leben herumspukten: Gavin, dessen Schädeldach sich hob und aufsprang wie der Blumenstrauß bei einem Zaubertrick. Mrs. Boye, die einen teilnahmslosen Christus anspuckte. Teale, der ihn mit Armen wie Frankensteins untotes Geschöpf durch dichten Wald jagte. Ein toter Vogel mit einem Kopf aus geflochtenen Zweigen. Ein seltsames Pfeilspitzzeichen, das in den Walnussholzschaft von Gavins Gewehr geritzt war.
    Eine gefährliche Rune, hatte Suzette gesagt. Wie wahr. Wie verdammt wahr. So gefährlich, dass er hoffte, er hatte sie genug verwirrt oder verärgert, und sie würde morgen einen Flug zurück nach Sydney buchen.
    Die müden Augen fielen ihm zu, und sofort spulten sich weitere düstere Bilder wie ein Nachrichtenticker ohne Ton in seinem Kopf ab: Tristram, der in die Hocke ging und in den Spinnentunnel kroch; Laine Boyes unergründliche Augen. Rowenas vor Jugend leuchtende Augen; Cates Augen, offen und mit weißem Puder bestäubt; Steinreliefs; der Grüne Mann; dunkle Wälder, dicht mit fühlenden Bäumen bestanden; das Eichenwäldchen im Walpole Park …
    Nicholas riss die Augen auf. Ihm wurde schlagartig schlecht.
    Das Gesicht, das er gesehen hatte, als er auf seinem Motorrad an dem überwachsenen Walpole Park vorbeigerast war, das Gesicht, das zu seinem Unfall geführt hatte – und das er nur für eine Sekunde wahrgenommen hatte, eine unvollständige Erinnerung, ein geisterhafter Traum von der andern Seite seines Lebens –, war in Blätter gehüllt gewesen, genau wie die Deckenverzierung in der Kirche.
    Der Grüne Mann.
    Er schüttelte den Kopf . Du siehst Dinge, die würden einen Menschen verrückt werden lassen; ergo bist du wahrscheinlich verrückt.
    Aber er war nicht verrückt; nah dran vielleicht, aber noch nicht ganz. Und er war sich einer anderen Sache sicher: Er durfte nicht abreisen. Die Leiche des kleinen Thomas war drei Ortschaften entfernt gefunden worden, aber Nicholas hatte gesehen, wie sein Geist von unsichtbaren Händen in den Wald geschleift worden war. Tristrams Leiche war kilometerweit flussabwärts entdeckt worden, aber Suzette hatte seinen Geist auf dem Kiespfad an der Carmichael Road gesehen. Die Leichen der Jungen mochten woanders gefunden worden sein, und ihre angeblichen Mörder hatten gestanden, sie weit von Tallong entfernt ermordet zu haben, aber ihre Geister logen nicht. Die Jungen waren im Wald gestorben.
    Irgendetwas da drin hat sie getötet, dachte Nicholas. Und du und Suzette seid die Einzigen, die es wissen.
    So sehr er es wollte, er durfte nicht weggehen.
    An Schlaf war heute Nacht nicht mehr zu denken. Er stand auf, streifte sich einen Pullover über, griff sich seine Schlüssel und schritt hinaus in die vormorgendliche Kühle.
    Nebel hatte den frühen Morgen auf eine milchige Traumlandschaft reduziert. Nicholas war Stunden gelaufen, wie es ihm schien, in der Hoffnung, seine ausgreifenden Schritte und die frische Luft würden seinen Verstand so lange entleeren, wie er brauchte, um nach Hause zu stürzen, seinen Koffer zu packen und zum Flughafen zu rasen. Doch stattdessen trugen ihn seine verräterischen Füße durch den

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