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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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gekiest, es knirschte unter Katharines Reifen. Alte Kampferbäume säumten die Auffahrt, ihre Krokodilrindenstämme spendeten kühlen Schatten, und ihre Zweige trafen sich in der Höhe und schufen einen behaglichen Laubtunnel. An ihrem Ende stand das Haupthaus des Altersheims, ein zweistöckiges Ziegelgebäude mit steilem Dach, das wie der Zaun vorn von dunkelgrünem Efeu bekleidet war. Ein neuerer Flügel ging im rechten Winkel ab, und separate Häuschen wurden von sauber gestutzten Hecken, fein beschnittenen Zitrusbäumchen und rot blühenden Banksien unterteilt. Kelmscott Heights, erkannte Katharine, war kein gewöhnliches Altersheim. Pamelas Familie musste Geld haben.
    Der junge Mann am Empfang schien sich zu freuen, dass Pamela eine Besucherin hatte. Auf seinem Namensschild stand Nathan, und er erklärte Katharine sehr verständlich, wenn auch in leicht herablassendem Ton, den Weg zu Pamelas Zimmer in Roseleigh. » Das ist der BW-Flügel« erläuterte er im lauten Flüsterton.
    Katharine hätte gewettet, dass Nathans Freund es liebte, wenn er in genau diesem Tonfall » Komm, ich mach’s dir« flüsterte.
    » Und BW ist …?«
    Nathan verdrehte die Augen, als wollte ihn Katharine veräppeln; eine gute Freundin, die oft zu Besuch kam, würde das doch wohl wissen, oder? » Betreutes Wohnen. Pamela braucht inzwischen ein wenig Pflege.« Er ließ das letzte Wort wie eine Anklage nachhallen.
    Katharine lächelte dünn und beugte sich vor. » Das ist mir so was von scheißegal. Ich bin nur hier, um zu sehen, was ich abstauben kann«, flüsterte sie zurück und freute sich über den schockierten Ausdruck auf Nathans jungem Gesicht. » War natürlich nur Spaß.« Sie winkte und machte sich auf den Weg zu den Aufzügen.
    Die Wände des BW-Flügels waren mit farbenfrohen, von Enkeln der Bewohner gemalten Bildern geschmückt und mit Dutzenden von Fotografien, die alle den unveränderlich gleichen Aufbau hatten: Lächelnde Gesichter scharten sich um eine ältere, ausdruckslos vor sich hin starrende, finster blickende oder verwirrt abschweifende Person. Sie sind größtenteils senil, erkannte Katharine. Sie las die Türnummern ab und kam schließlich bei Zimmer 16 an.
    Pamela Ferguson saß am Fenster und las in einem Roman von Tami Hoag. Das Zimmer war überraschend groß und mit einigen Stücken möbliert, die aus Mrs. Fergusons eigenem Haus stammen mussten: ein Bücherregal aus Schwarzholz. Ein Porzellanschränkchen voller Lladró-Figuren, ein kleiner Kaffeetisch aus Eiche, auf dem ein chinesischer Abakus stand, der aussah, als wäre er fünfhundert Jahre alt – und es vielleicht tatsächlich war. Auf dem Nachttisch stand die verblassende gerahmte Fotografie eines Mann mit fröhlichen Wangen, Lachfalten um die Augen und einer grauenhaften Frisur; der verstorbene Mr. Ferguson, nahm Katharine an. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie in den zwei Jahrzehnten, in denen sie in Mrs. Fergusons Obst- und Gemüseladen eingekauft hatte, nie nach Mr. Fergusons Vornamen gefragt hatte.
    Katharine hüstelte in die Faust.
    Pamela Ferguson blickte auf und zog ihre Gleitsichtbrille tiefer, um über sie hinwegzuspähen. Ihre Augen leuchteten auf, als sie ihre Besucherin erkannte. » Katharine!«
    Sie umarmten sich und tauschten Freundlichkeiten aus. Pamela Ferguson war mit dem Alter geschrumpft – Mutter Naturs Methode, ihr endlich zu kleineren Kleidergrößen zu verhelfen, wie sie erklärte – und Katharine sah bedrückt, wie die einst quicklebendige Frau sich anstrengen musste, um Milch aus dem kleinen Kühlschrank zu holen, als sie Tee für sich und ihren Gast machte.
    Sie saßen eine Weile und plauderten. Katharine lobte die hübsche Anlage des Hauses und die prächtige Aussicht. Pamela erklärte, ihr Bruder habe ein Softwareunternehmen aufgebaut und verkauft und ihr bei seinem Tod einen ganzen Batzen hinterlassen, was ihr erlaubte, hier zu woh-
nen.
    » Pamela, das klingt jetzt ehrlich gesagt ein bisschen dämlich, aber … Sie wirken absolut fit. Wieso sind Sie hier?«
    » Im Wo-bin-ich-Flügel, meinen Sie? Das ist nur vorübergehend, bis ein Häuschen frei wird. Und das lässt sich leider nur beschleunigen, indem man jemandem ein bisschen Rattengift ins Essen streut.«
    Die Frauen lachten. Das unbeschwerte Schweigen, das folgte, ermutigte Katharine, zur Sache zu kommen.
    » Haben Sie die Nachrichten gesehen, Pam?«
    Mrs. Ferguson schüttelte den Kopf. » Das habe ich aufgegeben. Sudoku ist jetzt mein Ding.«
    Katharine nickte,

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