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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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geputzt, wartend.
    Die Stadt Tallong legte sich schlafen. Eins nach dem andern erloschen Lichter in den Häusern, im Dutzend zuletzt, bis nur noch die hellen Perlen der Straßenlaternen wie eine Kette um die dunklen Falten der schlummernden Stadt zu liegen schienen. Die schmalen Straßen glänzten vom Regen, und winzige Bäche gluckerten in die Gullys und fielen mit dunklem Gurgeln in die Überflutungskanäle, um unterirdisch zum nahen Fluss zu strömen. Keine Fahrzeuge störten die Stille. Nur die Bäume sangen im Flüsterton ihr Nachtwindlied.
    Der Wald lag im Dunkeln, feucht wie ein Intimbereich.
    In seiner Mitte flackerte ein Feuer. In einer Hütte, die errichtet worden war, lange bevor der Bau der alten anglikanischen Kirche begonnen hatte, züngelten Flammen in einer von Steinen gesäumten Feuerstelle an Zweigen empor. Das Feuer erzeugte hohe, schmale Schatten, die zuckten und sich an den Holzwänden emporarbeiteten, als versuchten sie verzweifelt zu entkommen.
    Vor den Flammen kauerte eine alte Frau. Ihre ausgedörrten Lippen bewegten sich, aber ihre Worte waren sehr leise, vielleicht nur für die Flammen bestimmt, oder für etwas Unsichtbares, das bereits nach ihrem Angebot lauschte. Ihre Hände, die mehr Knochen als Fleisch waren, bewegten sich flink. Im nervösen Zucken der hungrigen Flammen blitzte etwas silbern auf, dunkle Flüssigkeit spritzte, die Asche von etwas zerbröselte in geschickten Fingern. Dann ein letzter Gegenstand, die Hände der alten Frau wurden langsamer und bewegten sich sehr vorsichtig. Ihre skelettartigen Finger hielten einige lange Haare mit einem Stückchen blutverkrusteter Haut daran. Haut und Haar flogen ins Feuer.
    Ihre Lippen bewegten sich wieder.
    Das Feuer loderte höher.
    Draußen kam ein kühler Wind auf, als hätte er eine dringliche und unheilvolle Last über die dunklen, seufzenden Baumwipfel und durch die leeren Straßen in die schlafende Stadt zu tragen.

18
    Statt angenehm warm fühlte sich das Sonnenlicht hart und spröde an. Nicholas kniff zum Schutz davor die Augen zusammen, während er Suzette beobachtete, die in ihr Handy sprach. Er war erschöpft. Selbst die einfache Entscheidung, ob er aufstehen und die schmierigen Vorhänge zuziehen oder weiter ins Gegenlicht blinzeln sollte, überforderte ihn. Die Entfernung quer durch das Zimmer hätte tausend Kilometer betragen können; es war einfach zu weit.
    Suzette beendete ihr Gespräch und sah ihren Bruder an. Unter den Augen hatte sie rußschwarze Säcke. Sie war zehn Jahre in einer Nacht gealtert.
    » Nelson hat Fieber«, sagte sie.
    Über genau diese Möglichkeit hatten sie am Morgen eine halbe Stunde lang beim Tee gesprochen. Suzette war aus einem tiefen, unnatürlichen Schlaf erwacht, und ihre Hand war sofort an die schmerzende Stelle auf ihrer Kopfhaut gegangen. Nicholas hatte gemeint, sie müsse das Haarbüschel verloren haben, als sie von Garnock fortgetaumelt war. Sie widersprach und behauptete kategorisch, dass der Hund – und sie sagte » Hund«, wie die meisten Leute » Krebs« sagten – es ihr unmittelbar nach dem Biss in die Hand ausgerissen hatte.
    » Er wurde nicht geschickt, um mir wehzutun«, erklärte sie lächelnd. » Er wurde geschickt, um mein Haar zu besorgen. Sie hat vor, mich zu verhexen.«
    Und keine Minute nachdem sie es gesagt hatte, läutete ihr Handy. Bryan rief mit der Nachricht an, dass ihr Sohn plötzlich krank geworden sei.
    Nicholas und Suzette saßen eine Weile schweigend da.
    » Bryan bringt ihn in die Notfallklinik in Glebe«, sagte Suzette schließlich. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Da war noch etwas, das sie sagen wollte, aber sie sagte es nicht.
    » Du musst nach Hause fliegen«, sagte Nicholas.
    Sie starrte lange auf ihre Hände und schwieg.
    » Wie krank ist Nelson?«, fragte er.
    » Ich weiß es nicht.«
    » Versucht sie …« Nicholas zögerte, aber es gab keine schonende Art, es zu sagen. » Versucht sie, ihn zu töten?«
    Suzette dachte darüber nach, dann schüttelte sie den Kopf. » Ich glaube nicht, dass das ihr Plan ist«, sagte sie und hob den Blick zu Nicholas. » Sie trennt uns.«
    Er nickte.
    » Aber du kannst etwas tun für Nelson?«
    » Wenn es aus heiterem Himmel gekommen wäre, hätte ich es vielleicht nicht gekonnt. Aber da ich weiß, dass es sich bei dieser Krankheit um einen … Anschlag handelt … Ja, ich denke, ich kann etwas unternehmen.« Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. » Aber ich muss dort sein.«
    » Ich weiß.«
    » Sie

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