Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
erkannte er wieder, andere waren ihm völlig fremd. Das Unterholz war sehr dicht. Ein Chor unbekannter Geschöpfe war zu hören, von denen die allermeisten diesen Wald wohl niemals verließen. Dem Schlag dunkler Schwingen folgten mitunter durchdringende Schreie. Arvan konnte sich vorstellen, dass in der Dunkelheit zwischen den Baumstämmen viele Räuber unterwegs waren und Jagd auf andere Waldbewohner machten. Das Blätterdach war sehr dicht und ließ kaum einen Sonnenstrahl hindurch.
Arvan spürte allerdings die Anwesenheit von Ranken und anderen Schlingpflanzen, und wenn Lirandil und seine Gruppe zwischenzeitlich eine Rast einlegten, versuchte Arvan die Ranken mit seinen Gedanken zu erreichen. Hin und wieder bewegten sie sich sogar, wenn er es wollte, das konnte er spüren. Aber sie hörten nicht so auf ihn, wie er das von den Pflanzen zu Hause, in der Umgebung von Gomlos Baum, gewohnt war.
Lirandil schien zu erraten, was ihn beschäftigte, und sprach ihn während einer Rast an. » Es ist eine Frage der Gewöhnung, Arvan, nichts weiter. Wenn du lange genug hier leben würdest, könntest du die Geschöpfe dieser Wälder genauso beeinflussen, wie du es mit den Baumschafen und Ranken in der Nähe von Gomlos Baum vermagst.«
» Das beruhigt mich zu hören«, behauptete Arvan. In Wahrheit war er jedoch voller Zweifel.
Hin und wieder übernachteten sie in einem der Gasthäuser entlang der Zyranischen Straße. Dort hatten sie ein Dach über dem Kopf und konnten eine warme Mahlzeit einnehmen. Doch oft genug waren die Räume überfüllt, und man musste sogar das Wasser für die Pferde teuer bezahlen. Wenn bereits Dutzende von Elefanten vor den Pferchen darauf warteten, mit Wasser versorgt zu werden, zogen Lirandil und seine Begleiter gleich weiter und suchten nach einer anderen Übernachtungsmöglichkeit.
Manchmal kampierten sie auch einfach an einer möglichst geschützten Stelle in der Nähe der Straße. Ein Lagerfeuer aber entzündeten sie nicht.
» Offene Feuer entlang der Straße sind verboten, solange sie durch das Waldgebiet führt«, erklärte Lirandil. » Dieses Gesetz wurde vor gut tausend Jahren eingeführt, als in diesem Wald ein großes Feuer ausbrach, das sogar auf den Hof des Waldkönigs übergriff und den Großteil der damaligen Gebäude verschlang. Der Hexagonturm konnte nur mithilfe von Magie vor den Flammen bewahrt werden.«
» Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Gesetz eingehalten wird«, äußerte Borro.
» Du hast recht«, sagte Lirandil. » Es wird immer wieder gebrochen, und es gibt auch niemanden hier, der darauf achten würde, dass es befolgt wird.«
» Doch wir müssen trotzdem kalt essen?«, maulte Borro.
» Wir wollen nicht unnötig auf uns aufmerksam machen«, erklärte Lirandil.
Am Morgen überflogen einige Krähen jenen Teil der Straße, an dessen Rand sie rasteten, und der Elb blickte besorgt zum Himmel. Arvan, der den letzten Dämonenangriff noch lebhaft in Erinnerung hatte, schauderte unwillkürlich.
» Keine Sorge, das sind wirklich nur Krähen«, behauptete Brogandas. Der Dunkelalb trug seit Antritt der Reise ein schmales, recht kurzes Schwert und einen Parierdolch am Gürtel, der seine dunkle Kutte zusammenhielt.
Bevor sie weiterritten, ging er zu einem der Bäume am Waldrand und ritzte mit seinem Dolch, dessen Klinge aus einem pechschwarzen Metall bestand, Zeichen in die Rinde. Dazu sprach er eine Formel. Funken sprühten kurz aus der schwarzen Klinge und anschließend auch aus den eingeritzten Symbolen.
» Das wird eure Verfolger ablenken«, meinte er, als er zu den anderen zurückkehrte.
Die Zeichen ähnelten Elbenrunen. Arvan hatte den Eindruck, dass sie sich verformten und veränderten.
» Täusche ich mich, oder ist die Magie dieses Dunkelalbs der Zauberei sehr ähnlich, die Lirandil hin und wieder anwendet?«, raunte Borro ihm zu.
Dass sowohl Lirandil als auch Brogandas ihn daraufhin verärgert ansahen, war wohl ein sicherer Hinweis darauf, dass er nicht leise genug gesprochen hatte. Brogandas verzog das Gesicht, und die Runen darauf bewegten sich und bildeten neue Zeichen, die denen in der Baumrinde sehr ähnlich waren. Ist das wirklich nur damit zu erklären, dass er das Gesicht verzieht?, ging es Arvan durch den Kopf.
» Sieh an!« Brogandas lächelte auf einmal höhnisch, den Blick auf Borro gerichtet. » Ein rothaariger Halbling, der etwas von Magie versteht.«
Auf der breiten Straße kamen sie gut voran. Hin und wieder begegneten ihnen Verbände
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