Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
Klettern eignen, kannst du ebenso wenig wie für deine überlangen Arme oder deine langsame Art, sich zu bewegen…«
» Borro«, fuhr Neldo dazwischen.
» Ist ja schon gut, ich wollte nur sagen…«
» Vielleicht quasselst du nicht so viel und hilfst einfach mit, Arvan zu Gomlos Wohnbaum zu bringen«, schlug Zalea vor.
Auf sie hörte Borro meistens ohne Widerworte, denn insgeheim war der rothaarige Halbling ein wenig in sie verliebt, auch wenn er das wohl niemals zugegeben hätte.
Der Rückweg war mühsam und langwierig, zumal sie ihn auf dem Waldboden zurücklegen mussten und nicht, indem sie sich von Baum zu Baum fortbewegten. Das Geäst der Riesenbäume ragte oft so weit ineinander, dass sich ein guter Kletterer viele Meilen weit durch den Wald bewegen konnte, ohne jemals den Boden zu berühren. Baumschafe dagegen waren zwar dumm genug, sich mitunter ins äußere Geäst ihres Herdenbaums zu begeben, aber ihnen fehlte der Mut, auf den Ast des Nachbarbaums überzuspringen, geschweige denn, dass sie dazu fähig gewesen wären, sich an einer Ranke festzuhalten und zum nächsten Baum zu schwingen. So blieben sie normalerweise auf ihrem Herdenbaum.
Arvans Ziehvater Gomlo behauptete allerdings, dass dies nicht der eigentlichen Natur dieser Geschöpfe entsprach, sondern es einzig den Züchtern aus dem Halblingvolk zu verdanken war, dass man Baumschafe nicht meilenweit durch den Wald verfolgen musste, um die Herde wieder zusammenzutreiben.
Nach ungefähr der Hälfte des Weges meinte Arvan, dass die Schmerzen nachgelassen hätten. » Ich glaube, ich brauche eure Hilfe nicht mehr.«
» Und ich glaube, du überschätzt dich«, entgegnete Neldo.
» Lasst mich los, es wird gehen«, beharrte Arvan. Dass ihn diese kleinen Gestalten stützten, war ihm ohnehin peinlich. Schließlich war er weitaus größer und stärker als sie. Das immerhin hatte er den Kleinen voraus, wenngleich sie ihm dafür in nahezu allen anderen Belangen baumhoch überlegen waren.
Arvan schwankte ein wenig, nachdem Borro und Neldo ihn losgelassen hatten. Für ein paar Augenblicke war ihm schwindelig, aber dann begann er einen Fuß vor den anderen zu setzen. Dabei hielt er sich die Seite– und…
Ein Blitz, so lang wie der Fuß eines Halblings, schoss plötzlich aus seinem Blätterverband, durch die zerrissene Kleidung und die Hand, die Arvan auf die Wunde presste.
Er zuckte zusammen.
» Du darfst nicht so drücken«, schalt ihn Zalea. » Heilerde und nicht sorgfältig genug zerriebene Sinnlosen-Blüten sind ein magisch sehr heikles Gemisch. Aber es hilft.«
Arvan atmete tief durch. » Das will ich hoffen. Wenn mir nicht vorher das Herz vor Schreck stehen bleibt.«
» Nun hör aber auf, du bist doch noch kein alter Mann. Nicht einmal gemessen an menschlichen Maßstäben«, hielt sie ihm vor.
Sie spielte darauf an, dass Halblinge im Allgemeinen deutlich älter als Menschen wurden. Ein hundertdreißig Jahre alter Halbling war nichts Besonderes, und es gab einige, die noch deutlich älter geworden waren. Arvan fand solche Bemerkungen überhaupt nicht witzig, wurde ihm doch auf diese Weise wieder vor Augen geführt, was ihm nach all den Jahren unter Halblingen ohnehin längst klar war: Als Mensch war man gegenüber diesen kleinwüchsigen Spitzohren in jeder Hinsicht benachteiligt.
» Möchtegern-Elbin«, warf er ihr vor und traf damit ihren Halblingsstolz. Denn in der Alten Zeit, als es noch keine Menschen in Athranor gegeben hatte, hatten sich die Elben sehr bemüht, den Halblingen ihr Wissen und ihre Kenntnisse hinsichtlich ihrer Heilkunst und Magie zu vermitteln und sie mit den Mächten der Natur so vertraut zu machen, wie sie selbst es waren. Aber dann hatte das Elbenvolk mehr und mehr das Interesse an der Welt verloren und somit auch an den Halblingen. Seitdem gab es bei den Halblingen von Athranor zwei Meinungen hinsichtlich des wenigen erlernten Elbenwissens.
Die einen waren der Meinung, dass man es unbedingt bewahren müsste. Sie wurden spöttisch Möchtegern-Elben genannt, weil sie den Elben in allem nachzustreben versuchten, obwohl es nur noch sehr sporadische Verbindungen zu dem Lichtvolk gab. Die anderen– und sie stellten die Mehrheit– waren jedoch der Überzeugung, dass die Elben nur wenig zur Halblingskultur beigetragen hatten und dieses Wenige inzwischen von den Halblingen selbst derart weiterentwickelt worden sei, dass die Halblingschüler ihre Elbenmeister längst übertroffen hatten. Aufgrund der kaum noch vorhandenen
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