Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
aufgegangen. Dennoch war es ungewöhnlich hell, denn am Himmel leuchteten nach und nach Myriaden von Sternen auf. Sie schienen viel zahlreicher und heller zu sein als im Halblingwald oder in den Gebieten, durch die Arvan und seine Gefährten bisher auf ihrer Reise gekommen waren.
Lirandil ließ sein Pferd trinken und ging suchend ein Stück am Ufer entlang. Den Blick hatte er die ganze Zeit über angestrengt zu Boden gerichtet.
» Wenn er sich so gibt, hat es selten etwas Gutes zu bedeuten«, murmelte Borro.
» Er wird das sehen, was mir auch schon aufgefallen ist«, sagte Brogandas laut, der Borro gehört und verstanden hatte, obwohl der Halbling nur sehr leise gesprochen hatte.
» Und das wäre?«, fragte Arvan.
» Spuren! Sie sind so offensichtlich, dass nur ein halbblindes Geschöpf wie du diese Frage stellen kann.«
» Was für Spuren?«, wollte Zalea wissen.
Brogandas hob die Schultern. » Ich bin kein Fährtensucher.«
Lirandil kehrte zu ihnen zurück. » Spuren von Orks«, erklärte er. » Überall! Sie waren sehr zahlreich.«
» Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich Orks waren«, sagte Brogandas. » Aber Euer Ruf als Fährtensucher ist so legendär, dass ich Euer Urteil natürlich anerkenne.«
» Wir sollten hier nicht bleiben«, sagte Lirandil.
» Die Pferde können nicht mehr«, hielt Zalea dagegen.
» Sprichst du wirklich von den Pferden oder von dir selbst?«, wollte Brogandas wissen.
Lirandils Aufmerksamkeit hingegen schien durch irgendetwas abgelenkt zu sein. Er kniete nieder, berührte mit der Hand den Boden, so als würde er dort kleinste Unebenheiten ertasten.
Arvan konnte dort nichts erkennen, jedenfalls nichts, aus dem sich irgendwelche Rückschlüsse ziehen ließen.
» Hier ist kein guter Platz zum Lagern«, entschied Lirandil schließlich. » Wir ziehen weiter!«
Die Pferde waren tatsächlich sehr erschöpft, deshalb führten sie die Tiere an den Zügeln hinter sich her und folgten dem Flusslauf.
Stunden vergingen, und die Halblinge waren bald nicht weniger erschöpft als ihre Reittiere.
Arvan hingegen spürte kaum Ermüdung. Er fühlte sich noch immer hellwach und musste es sich gefallen lassen, dass Borro über ihn spottete. » Das ist die rohe Kraft eines Menschlings. Selbst im direkten Vergleich mit unseren Gäulen schneidest du gut ab, während wir schwachen Halblinge vor Erschöpfung fast umfallen.«
» Kein Grund zu übertreiben«, meinte Arvan.
» Du kannst ruhig zugeben, dass es dir gefällt, dass du außerhalb unseres Waldes nicht mehr der Trottel bist«, gab Borro ächzend zurück, während er energisch am Zügel seines erschöpften Pferdes zerrte, das zwischenzeitlich einfach stehen geblieben war.
» Arvan war nie ein Trottel«, widersprach Zalea heftig. » Weder früher noch jetzt.« Es schien ein Reflex bei ihr zu sein, dass sie Arvan stets verteidigte.
Borro gefiel das gar nicht. Er runzelte die Stirn. » Jemand, der nicht klettern kann und so ungeschickt ist, dass er sich mit einer Schleuder selbst treffen würde, ist ganz sicher ein Trottel«, behauptete er trotzig und verärgert und fand dann, als er fortfuhr, zu seinem beißenden Spott zurück. » Aber vielleicht hast du recht, Zalea. Früher schien Arvan nur ein Trottel zu sein, aber jetzt wissen wir: Er ist ein starker Trottel!« In gespielter Furcht hob er die Hand vors Gesicht, so als müsste er sich schützen. » Bitte erschlag mich nicht in deiner Berserkerwut, Arvan. Ich bin kein Ork oder Vogelreiter!«
» Trotzdem solltest du den Schnabel halten«, zischte Zalea.
» Lass ihn nur«, meinte Arvan leichthin. » Er meint es nicht so. Du kennst ihn ja.«
» Eben«, sagte Zalea und starrte Borro aus zornfunkelnden Augen an. » Wir kennen ihn und wissen, dass er jedes Wort genau so meint, wie er es gesagt hat!«
Der Einzige in der Gruppe, der sein Pferd nicht am Zügel führte, war Brogandas von Batagia. Er ritt weiterhin hoch zu Ross, und niemand wagte es, ihm zu raten oder gar ihn aufzufordern, abzusteigen und sein Pferd zu schonen. Arvan sah jedoch einmal, wie der Dunkelalb dem Tier etwas ins Ohr flüsterte. Eine Stärkungsformel, dachte Arvan, ähnlich wie jene, die Lirandil anwendet.
Vielleicht hatte Brogandas das Pferd aber auch nur mithilfe seiner Dunkelalben-Magie dazu gebracht, den anderen von selbst zu folgen. Bald saß er nämlich mit geschlossenen Augen auf dem Rücken des Pferdes und schien nicht mehr ansprechbar.
Schließlich rutschte er aus dem Sattel und schlug auf dem Boden auf,
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