Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
für einen kurzen Moment den Brustkorb des Vogels, aus dem noch ein Pferdemaul herausragte. Die Arme und der Umhang des Reiters wurden zu Schwingen, und die gesamte Gestalt schrumpfte.
Doch noch ehe die Verwandlung abgeschlossen war und der Garandhoi sich als Krähe in die Luft hätte erheben können, zerfiel er zu Staub, der kurz aufglühte wie die Asche eines erlöschenden Feuers.
Der nächste Angreifer war bereits auf Brogandas zugeprescht, doch nun zügelte er sein Pferd und zögerte.
Brogandas murmelte ein paar Worte in der Sprache der Dunkelalben, wobei er mindestens eine Oktave tiefer sprach, als es seiner Sprechstimme entsprochen hätte. Dann richtete er die Schwertspitze auf die Gegner vor sich, und ein dumpfes Grollen erklang.
Der Vogelreiter, der eben sein Pferd gezügelt hatte, griff Brogandas wieder an, doch als er mit dem Schwert nach dem Dunkelalb schlug, hieb seine Klinge gegen einen unsichtbaren Widerstand. Sein Pferd stieß ein wildes Fauchen aus, es dampfte schwarz aus seinen Nüstern hervor. Der Vogelreiter wich zurück.
Brogandas steckte sein Schwert ein und drehte sich im Sattel herum. » Es wird Zeit, dass wir etwas unternehmen, um unser Leben zu retten«, sagte er, und obwohl die Lage so ernst war, schwang noch immer ätzende Arroganz in seiner Stimme mit. Er wandte sich an Lirandil und setzte noch hinzu: » Falls Ihr Skrupel habt, könnt Ihr gern hierbleiben und Euch von den Garandhoi töten lassen!« Er grinste breit. » Wir haben Glück, sie können noch nicht lange in unserer Welt sein. Ghool ist es offenbar erst vor Kurzem gelungen, die Garandhoi zu beschwören, deswegen sind sie noch nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte!«
Der Ring der Vogelreiter zog sich noch enger zusammen. Sie stimmten einen unheimlichen Singsang an, der in keiner Weise mehr an die Krächzlaute erinnerte, die sie bisher ausgestoßen hatten, sondern eher wie ein dumpfes, sehr tiefes Murmeln klang, wobei ihre Augen aufglühten.
Lirandil schien zu ahnen, was das zu bedeuten hatte. Er blickte nach oben, so als würde er erwarten, dass sich am Himmel etwas tat.
Wie aus dem Nichts verdunkelte sich plötzlich die Sonne. Der Schatten eines großen Vogels erschien. Er war zunächst so durchscheinend wie Rauch, sodass noch Sonnenlicht durch seine gewaltigen Schwingen drang. Aber der Schatten verdichtete sich mehr und mehr. Zugleich traf ein eisiger Hauch Lirandils Gruppe, der Arvan bis ins Mark frösteln ließ.
» Was ist das?«, rief er.
» Der Schattenvogel«, antwortete Lirandil, » Ghools Kundschafter und einer seiner machtvollsten Diener. Auf ihn haben die Vogelkrieger offenbar gewartet.«
» Folgt mir!«, rief Brogandas. » Folgt mir ohne Zögern, wenn ihr am Leben bleiben wollt!«
Er trieb sein Pferd vorwärts, geradewegs auf die Vogelreiter zu. Gleichzeitig riss er seinen Dolch aus der Gürtelscheide, schleuderte ihn mit einem Schrei in die Höhe. Die Klinge zog eine dunkle Linie hinter sich her, die wie ein Schnitt in der Wirklichkeit wirkte und aufklaffte. Brogandas verschwand darin.
» Hinterher!«, rief Lirandil. » Na los!«
Arvan zögerte noch. Neldo war der Erste, der seinem Pferd die Hacken in die Weichen drückte, wie er es inzwischen gelernt hatte, und es machte einen Satz hinein in den schwarzen Spalt. Zalea folgte, und Borro war der Nächste.
Arvan aber zögerte, denn er sah, wie Lirandil von einem Vogelreiter angegriffen wurde. Der Schutzzauber, den Brogandas zuvor gewirkte hatte, schien sich aufgelöst zu haben.
Mit zwei wuchtigen Schwerthieben, die der Fährtensucher mit Magie unterstützte, drängte er den Vogelreiter zur Seite, doch in diesem Moment senkte sich der gewaltige Vogelschatten herab, und es wurde innerhalb eines Augenblicks so dunkel wie in der Nacht und unwahrscheinlich kalt.
Gemeinsam preschten Arvan und Lirandil im letzten Moment, bevor die gewaltige Kreatur sie vollkommen mit ihrer tödlichen finsteren Kälte umgeben konnte, durch den schwarzen Schnitt in der Wirklichkeit.
Die Mark des Zwielichts
Arvan staunte nichts schlecht, als er sich umsah.
Zwei Sonnen standen als rot glühende Scheiben dicht über zwei sich gegenüberliegenden Horizonten. Die schroffen Berge in der Ferne machten zudem klar, dass dies nicht das Dornland von Harabans Reich sein konnte.
Ihn schauderte. Was war das nur für eine Magie gewesen, die Brogandas angewandt hatte?
Arvans Pferd galoppierte ein Stück voran, verlangsamte dann den Schritt und hielt schließlich an. In einiger Entfernung
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