Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
setzte sich zu Gomlo an den Tisch.
» Deine Wunde…«
» …wird bald verheilt sein, Vater.«
» Es ist wirklich ein Wunder, wie du selbst die schlimmsten Verletzungen überstehst. Kein Halbling– und auch kein Mensch, den ich kenne– wäre dazu imstande.«
» Lirandil scheint neben seinen Talenten als Fährtensucher auch ein guter Heiler zu sein«, entgegnete Arvan ausweichend, während ihm gleichzeitig der Kopf schwirrte. Er fragte sich, wie er das Gespräch auf die Fragen lenken könnte, deren Antworten ihn so brennend interessierten. Fragen, die ihn geradezu bedrängten und an seiner Seele nagten. Seitdem Lirandil die sogenannte Geistverschmelzung durchgeführt hatte, war nichts mehr wie zuvor. Es war noch mehr mit ihm geschehen, als dass nur seine Seele daran gehindert worden war, den Körper für immer zu verlassen und ins Jenseits zu entschwinden. Sehr viel mehr…
Arvan spürte sehr deutlich, dass er sich für immer verändert hatte, auch wenn er noch keineswegs begriff, worin diese Veränderung bestand.
» Vater, erzähl mir mehr darüber, wo ich herkomme«, forderte er. » Wie gelangte ein Menschlingskind zu euch?«
» Das Wenige, was es darüber zu sagen gibt, haben Mutter und ich dir bereits mehr als einmal erzählt«, behauptete Gomlo.
» Ihr habt ein Menschenkind zu euch genommen, das im Wald gefunden wurde, und du und deine Frau habt es an Kindes statt aufgezogen«, fasste Arvan die Geschichte zusammen. » Aber vielleicht ist es an der Zeit, mir noch ein paar Einzelheiten zu verraten. Irgendetwas, was mir womöglich einen Anhaltspunkt geben könnte, wo meine wahren Wurzeln liegen.«
» Sieh dir den Katzenbaum an«, entgegnete Gomlo. » Er ist biegsam, weil er mit seinem Maul die Beute schnell genug ergreifen muss, ehe sie wieder aus seiner Reichweite entschwindet.«
» Vater, verzeih mir, wenn ich das so offen sage, aber ich möchte jetzt nichts über Katzenbäume hören, sondern über mich«, drängte Arvan. Er fürchtete, dass sein Vater ihn nur vom Thema abzulenken versuchte. Irgendwie hatte er immer schon gespürt, dass es da außer der sehr dünnen Geschichte, die man ihm zurechtgelegt hatte, noch etwas anderes gab. Etwas, das bisher unausgesprochen geblieben war. Gut möglich, dass Gomlo und Brongelle tatsächlich nicht alles über seine Herkunft wussten, aber irgendeine innere Stimme sagte ihm, dass sie zumindest mehr wussten, als sie ihm bisher offenbart hatten.
» Was willst du wissen?«, fragte Gomlo.
» Ich sah in meinen Träumen das Meer, einen Hafen und Schiffe. Und wenn ich beim alten Grebu bin, um das Schreiben zu üben, kommen mir die Gegenstände, die er aus Carabor mitgebracht hat, so vertraut vor. Das war immer schon so, aber erst jetzt ist es mir klar geworden. Die Bücher, die Grebu in seiner Baumwohnung aufbewahrt, das Rad, das an der Wand hängt und von dem mir Grebu sagte…« Arvan stockte.
» Sprich ruhig weiter«, forderte Gomlo.
Aber Arvan war plötzlich eine Erkenntnis gekommen. Das hölzerne Rad an der Wand beim alten Grebu … Es hat die gleiche Form wie das goldene Rad, das der Mann aus meinem Traum, der vielleicht mein Vater war, vor der Brust trug. Das Steuerrad eines Schiffs! Bei allen Waldgöttern, warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?
» Spielt die Stadt Carabor bei meiner Herkunft irgendeine Rolle?«, fragte er schließlich nach einer quälend langen Pause des Schweigens. Ehe Gomlo darauf etwas sagen konnte, ergriff Arvan erneut das Wort. Seine Hände hatten sich dabei zu Fäusten geballt, so als wollte er verzweifelt irgendetwas festhalten– vielleicht die Bilder, die er im Kopf hatte und die so ungeheuer flüchtig waren. » Grebu war lange in Carabor. Ich werde ihn fragen.«
» Arvan, jetzt ist wohl der Zeitpunkt gekommen, dir alles zu offenbaren, was ich weiß«, hielt ihn sein Ziehvater auf. » Zumindest das Wenige, das mir bekannt ist. Was die Stadt Carabor betrifft, so ist es gut möglich, dass sie etwas mit deiner Herkunft zu tun hat, denn in das Tuch, in das du eingewickelt warst, war ein Zeichen eingestickt.«
» Lass mich raten– das Steuerrad eines Schiffs? Mit fünf Speichen und fünf Greifholmen, an denen man es halten kann?«
Gomlo nickte. » Ja, das ist wahr. Es ist das Zeichen des Hochadmirals von Carabor.«
» Also doch«, fühlte sich Arvan bestätigt. » Erzähl mir jetzt alles!«
» Wie gesagt, ich weiß nicht viel.«
» Dann wenigstens das Wenige, das du weißt.«
Gomlo atmete tief durch. » Dir ist ja bekannt,
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