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Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Elbenrunen waren dem Kind auf die Stirn gezeichnet worden. Sie leuchteten auf magische Weise, und der uralte Elbenschamane sprach dazu Worte in der Sprache seines Volkes, magische Formeln, die Bestandteil irgendeines Rituals sein mussten. Flammen loderten, das flackernde Licht von Fackeln erfüllte eine Halle, deren hohe Decke von unzähligen Säulen gestützt wurde, und auch die waren mit Zeichen und Gravuren bedeckt.
    Da waren Bilder, von denen Arvan dachte, sie könnten jeden Augenblick zum Leben erwachen. Vor allem Gesichter waren auf den Säulen verewigt worden. Arvan hatte das Gefühl, alles zugleich von außen und auch aus einem ganz bestimmten Blickwinkel zu sehen, der ihm zunächst sehr eigenartig vorkam– bis er erkannte, dass es der des Säuglings sein musste.
    Mein eigener Blick!, durchfuhr es ihn.
    » Wir danken Euch, Brass Elimbor«, sagte eine tiefe, dunkle Männerstimme auf Relinga.
    » Mögen sich die Götter des Unglücks von Eurem Sohn fernhalten, auch wenn er es jetzt sicherlich besser zu überstehen vermag, als es anderen aus Eurem Volk vergönnt ist«, entgegnete Brass Elimbor.
    Und dann sah Arvan einen Mann und eine Frau. Der Mann hatte einen dunklen Bart– allerdings kein wild wucherndes Gestrüpp, wie es oft bei Harabans Söldnern zu sehen war, sondern einen gepflegten und so exakt geschnittenen Backen- und Kinnbart, dass sich Arvan an eine der Schnitzereien erinnert fühlte, die Neldo in der Werkstatt anfertigte, in der er ausgebildet wurde.
    Der Mann trug ein dunkles Wams mit metallenen Knöpfen, und an einer Kette hing ihm ein goldenes Rad vor der Brust, dessen Durchmesser etwa daumenlang war. Arvan war sich sicher, auch dieses Rad schon irgendwo gesehen zu haben. Er versuchte sich zu erinnern, aber es wollte ihm einfach nicht einfallen. Es hatte fünf Speichen, die sich über den äußeren Rand hinweg fortsetzten.
    Ich werde Grebu danach fragen. Er muss mir darauf eine Antwort geben, dachte er.
    Die Frau hatte fein geschnittene Züge, meergrüne Augen und braunes Haar, das zu einer kunstvollen Frisur aufgesteckt war. Sie nahm das Kind aus den Händen des uralten Elben zurück und sagte: » Möge die Gesundheit meinen Sohn nie mehr verlassen.«
    » Das wird sie nicht«, versprach Brass Elimbor. » Aber dem Tod wird er dennoch nicht entrinnen.«
    » Ich weiß«, sagte sie. » Aber wir danken Euch trotzdem.«
    » Erst in vielen Jahren werdet Ihr entscheiden können, ob Ihr mir danken oder mich verfluchen wollt«, entgegnete Brass Elimbor.
    Es wurde noch mehr gesprochen, aber Arvan konnte es nicht mehr verstehen. Die Gesichter und die Säulen mit ihren Reliefs, das goldene Rad und das kleine Kind mit den magischen Zeichen auf der Stirn– all das verschwamm, wurde undeutlich und verblasste schließlich.
    Dann war da nur noch Dunkelheit…
    Arvan schlief wie ein Stein, um schließlich in aller Frühe ohne einen ersichtlichen Grund zu erwachen.
    Er war schweißgebadet.
    Von draußen waren die Laute des Waldes zu hören und die Baumflöter, die unablässig Nachrichten austauschten. In der Ferne erklang das Kreischen streitender Baumteufel und vermischte sich mit dem Konzert von Vogel- und Insektenstimmen. Dazu fuhr der Wind durch die Kronen der riesigen Bäume des Halblingwaldes und erzeugte ein beständiges, beruhigendes Rauschen.
    Ein Rauschen, das Arvan unwillkürlich an etwas erinnerte.
    Das Rauschen des Meeres!, wurde ihm plötzlich klar, obwohl er das Meer doch nie gesehen und demnach dessen Rauschen auch nie gehört hatte. Haben mich die Erzählungen des alten Grebu über den Hafen von Carabor derart beeindruckt, oder ist auch das eine Erinnerung aus einer Zeit, an die ich mich nicht erinnern dürfte?
    Arvan stand auf und verließ sein Zimmer.
    Im Eingangsraum brannte überraschenderweise Licht. Eine Öllampe stand auf dem stabilen Holztisch. Ihr flackernder Schein warf tanzende Schatten auf das Gesicht von Baum-Meister Gomlo. Der bemerkte zuerst gar nicht, dass Arvan eingetreten war.
    » Vater? Du schläfst nicht?«, fragte sein Ziehsohn.
    Gomlo blickte auf. Sein Gesicht wirkte sorgenvoll. » Und du bist auch schon wach«, stellte er fest. » Eigentlich brauchst du den Schlaf, um…«
    » Ich kann im Augenblick einfach keine Ruhe finden«, unterbrach ihn Arvan. Und womöglich ist das die Gelegenheit, dir ein paar Fragen zu stellen, die ich vielleicht schon viel früher hätte stellen sollen, dachte er. Fragen, auf die ich die Antworten bisher vielleicht gar nicht hören wollte.
    Arvan

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