Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
Vom Netzwerk:
hatte dessen Stimme erkannt. Sie war der Schrecken aller Halblingkinder, denn sie gehörte Mansor dem Gestrengen. Mansor war älter, als irgendein Halbling zuvor je geworden war, was er selbst auf den ausgiebigen Genuss und die besondere Zubereitungsweise gewisser Wurzeln zurückführte. Er war Gomlos Vorgänger im Amt des Baum-Meisters, weshalb Gomlos Baum früher Mansors Baum genannt worden war. Er war auch eine Weile Baum-Meister des ganzen Stammes von Brado dem Flüchter gewesen und hatte diesen in Zeiten großer Uneinigkeit mit seiner Strenge vor der Spaltung bewahrt. Später war die Mehrheit des Stammes seiner Strenge jedoch überdrüssig geworden, sodass man ihn nicht wiedergewählt hatte.
    Im Gegensatz zu Grebu war Mansor allerdings niemals aus den Wäldern am Langen See herausgekommen, und seine Ansichten kamen gerade vielen jüngeren Halblingen wie Botschaften aus einer fernen vergangenen Zeit vor. Ihn störte der Krach der Kleinsten ebenso wie die seiner Meinung nach schlechten Manieren der etwas Älteren. Er verabscheute es, wenn Halblinge untereinander Relinga sprachen, und wenn jemand zu einem Verwandtschaftsbesuch in die Dichtwaldmark aufbrach, war das für ihn eine Reise in unsagbare Ferne, und er wünschte dem Reisenden mit bedrängender Eindringlichkeit, nicht der inneren Verderbnis anheimzufallen. Und falls der Betreffende keine Zeit oder Lust hatte, sich von Mansor die Geschichte von Brado dem Flüchter in ihrer ausführlichsten (und, wie manche vermuteten, stark persönlich gefärbten) Version bis zum Ende anzuhören, sah er darin nur ein weiteres Indiz für den Verfall der Halblingstraditionen und für die mangelnde Wertschätzung, die dem Erbe seines Volkes mittlerweile entgegengebracht wurde.
    Mansor, der zuvor gesessen hatte, erhob sich. Sein Backenbart war weiß, sein Kopf vollkommen haarlos, und wegen seiner großen Ohren behaupteten die jugendlichen Halblinge im Scherz und auf Relinga untereinander, dass Mansor der Gestrenge wie ein Elb hören könne.
    » Wie kann der Angehörige eines Volkes, das fast so edel wie das unsere ist, unter Orks leben?«, dröhnte Mansor, und schon der durchdringende Ton seiner Stimme vermittelte eine Ahnung davon, mit welcher Strenge und Kraft er einst den Stamm von Brado dem Flüchter durch schwierige Zeiten angeführt hatte.
    » Wie hätte ich anders so tief in die Länder der Orks gelangen können?«, fragte Lirandil zurück. » Und davon abgesehen, solltet Ihr von der unbändigen Neugier wissen, die mir angeboren ist.«
    » Eine Neugier, die Euch vielleicht unter den verderblichen Einfluss ebenjener Mächte gebracht hat, vor denen Ihr zu warnen vorgebt«, rief Mansor. » Wie ist es sonst zu erklären, dass diese Orks Euch überhaupt unter ihresgleichen geduldet und Euer Hirn nicht zum Nachtmahl aufgeschlürft haben.«
    » Redet keinen Unsinn«, mischte sich Grebu ein.
    » Einer, der dem Einfluss der Fremde bereits erlegen ist, sollte sich heraushalten«, kanzelte Mansor den Zwischenrufer ab.
    Eine Gasse bildete sich, und Mansor trat vor. Er ließ sich Zeit dabei und ging auf einen Stock gestützt.
    Schließlich blieb er stehen, musterte Lirandil und sagte: » Es sind viele Halblinge gestorben, und Horden von Orks durchstreifen unsere Wälder. Ihr habt Unfrieden in dieses Land gebracht, und wer sagt uns, dass Ihr nicht einige der Eigenarten angenommen habt, die so charakteristisch für die Orks sind und für die wir sie hassen. Schließlich sind Elben und Orks weitläufige Verwandte, wie überliefert wird.«
    » Alle Geschöpfe sind letztlich miteinander verwandt«, erwiderte Lirandil ruhig. » Und was die Bewohner des West-Orkreichs und die Skorpionreiter-Stämme betrifft, so verdanken wir es ihnen, dass sich Ghools Macht nicht schon sehr viel weiter ausdehnen konnte. Sie sind unsere natürlichen Verbündeten in dem Kampf, der uns allen bevorsteht. Sie lassen Ghools Schergen ebenso wenig freiwillig durch ihr Land ziehen, wie es die Reiter von Rasal tun. Aber aufhalten können sie Ghools Vasallen nicht. Ich habe den Unfrieden nicht gebracht, ich berichte nur von dem, was kommen wird und sich bereits auf den Weg gemacht hat.«
    » Wir sollten Euch nicht zuhören und Euch erst recht nicht glauben«, rief Mansor. » Die Orks werden sich wieder zurückziehen, sobald der Waldkönig ein größeres Heer schickt und sie von seinen Kriegselefanten niedertrampeln lässt. Für uns ist es am besten, wenn wir uns möglichst verborgen halten und unsere Bäume nicht

Weitere Kostenlose Bücher