Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
gelungen, die Luftgeister zu Hilfe zu rufen?«, fragte Arvan.
Lirandil sah ihn nicht an, sein Blick war in die Ferne gerichtet, die sich hinter der grauen Nebelwand verbarg. » Nein, ich habe niemanden gerufen«, bekannte er. » Auch ich beherrsche diese uralte Form der Magie nicht, und selbst ein guter Elbenmagier vermag es heute nicht mehr, den Zauber richtig anzuwenden.«
» Aber warum haben uns die Luftgeister dann geholfen?«, wollte Arvan wissen, der mit der Antwort des Elben keineswegs zufrieden war.
» Die Luftgeister sind aus eigenem Entschluss tätig geworden«, erklärte Lirandil. » Es ist mir gelungen, kurz mit ihnen in geistigen Kontakt zu treten, und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch sie die Sorge um Ghools wachsende Macht umtreibt.«
» Sie wissen davon?«, fragte Zalea.
» Natürlich. Wie sollte ihnen das verborgen bleiben? Sie spüren die Kräfte, die Ghool zusammenzieht, um auch sie seinem üblen Willen zu unterwerfen.«
» Und wie kommen wir nun von hier wieder weg?«, fragte Borro. » Meiner Schätzung nach befinden wir uns irgendwo mitten auf dem Langen See, und bei dem dichten Nebel wüsste ich nicht einmal, in welche Richtung wir rudern müssten, mal davon abgesehen, dass wir wahrscheinlich eine Ewigkeit brauchen, um ans Ufer zu gelangen, solange wir die Segel nicht nutzen können.«
» Hat denn überhaupt jemand von uns Ahnung vom Segeln?«, fragte Zalea. » Also ich jedenfalls nicht.«
» Vom Navigieren mal ganz abgesehen«, mischte sich Neldo ein.
» Nun, ich habe in den letzten tausend Jahren schon so manche Seereise an den Küsten Athranors unternommen«, erklärte Lirandil. » Auch wenn das Wasser sicherlich nicht das bevorzugte Element eines Fährtensuchers ist, so verstehe ich doch genug davon. Allerdings hilft uns das wenig, solange es derart windstill ist.«
» Könntet Ihr die Luftgeister nicht dazu bewegen, uns irgendwie ans Ufer zu bringen?«, fragte Borro. » Ich meine, sie haben uns immerhin vor den Orks gerettet, wofür sie wohl ihre Gründe hatten, da könnten sie ihr Werk doch auch zu Ende bringen, finde ich.«
» Die Luftgeister sind überall«, sagte Lirandil. » Sie spüren alles, was vor sich geht. Jeden Zauber, jede Magie, jede Spur magischer oder geistiger Kraft nehmen sie wahr. Darum wissen sie auch um die Bedrohung durch Ghool– und wir können außerdem davon ausgehen, dass sie auch unsere Gedanken und Absichten erfassen.«
» Na, umso besser«, meinte Borro. » Vielleicht könntet Ihr das mit etwas Magie noch ein bisschen unterstützen, werter Lirandil. Denn wenn die Luftgeister auf unserer Seite stehen, liegt ihnen bestimmt auch unser Wohlergehen am… äh, Herzen.« Er sah Zalea an. » Haben Luftgeister Herzen?«
» Das, was du da vorschlägst, habe ich bereits getan«, sagte Lirandil. » Die Formeln, die ich die ganze Zeit über sprach, dienten dieser Absicht. Aber man muss im Umgang mit Luftgeistern auch vorsichtig sein. Wenn man versucht, sie zu etwas zu zwingen, kann man damit leicht das Gegenteil von dem erreichen, was man eigentlich beabsichtigt. In der Alten Zeit– also in der Epoche, bevor Elbanador zum ersten Elbenkönig erhoben wurde– war die Magie der Elben noch so mächtig, dass ihnen die Luftgeister bedingungslos zu Diensten sein mussten. Darum sind sie Angehörigen meines Volkes gegenüber besonders misstrauisch.«
» Dann sollte vielleicht mal jemand aus einem anderen Volk mit ihnen in Verbindung treten«, meinte Borro.
Lirandil lächelte nachsichtig. » Die Luftgeister nehmen Halblinge und Menschen in der Regel nicht für voll. Wesen, deren Lebensspanne so kurz ist, haben ihrer Meinung nach nur eine flüchtige und daher nicht wirkliche Existenz. Sie zählen für sie nicht zur Welt des wirklich Lebendigen und werden daher von ihnen normalerweise auch nicht beachtet.«
» Wenn diese Luftgeister wirklich auf der Seite des Guten stehen, warum haben sie dann nicht früher eingegriffen?«, murrte Arvan mit finsterer Miene. » Dann wäre Tarruu vielleicht noch am Leben.«
» Wie gesagt, kurzlebige Wesen haben für sie eine kaum wahrnehmbare Existenz, und zu denen zählen sie auch die Waldriesen, die kaum älter als zweihundert Jahre werden. Davon abgesehen, interessieren sich die Luftgeister ohnehin nicht besonders für das Schicksal Einzelner.«
» So sind auch wir ihnen im Grunde gleichgültig?«, schloss Arvan.
» Sie haben allenfalls ein gewisses Interesse an mir, und das auch nur, weil sie erkannt haben, dass Ghool mich
Weitere Kostenlose Bücher