Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
nochmals einen Klavierabend veranstalten”, versuchte Hannah ihn aufzumuntern.
“Wann”, fragte er nur.
“Nächste Woche am Freitag.”
“Ah”, war sein Kurzkommentar. Schließlich fragte er: “Mama, muss ich eigentlich wirklich zur Schule?”
“Ja natürlich. Jeder muss zur Schule.”
“Es ist so langweilig dort. Die erzählen so viel, das ich alles schon kenne und wenn ich einmal etwas nicht kenne und zuhören will, weil es mich interessiert, wird das Thema nur gestreift. Wenn ich eh alles zu Hause nachlesen muss, warum sitze ich eigentlich in der Schule. Außerdem geht alles so schrecklich langsam voran.”
Das überraschte Hannah nicht. Sie hatte schon lange damit gerechnet. Alexander war so vielseitig interessiert. Er stellte so viele Fragen, wollte alles erklärthaben. Hannah besaß natürlich auch eine Menge Bücher, in denen er viel las. Natürlich blieb auch Carsten nicht davon verschont, denn nicht selten musste er, bevor er mit dem Klavierunterricht begann, erst einmal viele Fragen beantworten.
‘Ja’, dachte Hannah, ‘ich werde wohl wieder einmal in der Schule antanzen müssen, um mit der Schulleitung und den Lehrern zu sprechen.’
Hannah wollte ihre Einkäufe, die sie im Restaurant deponiert hatte, holen und kam, wie immer, durch die Hintertüre. Alexander wartete derweilen im Flur. “Na, du bist schon da?”, begrüßte sie Carsten, über dessen frühe Anwesenheit sie überrascht war, “Alexander muss aber erst noch etwas essen.” Bevor er antworten konnte fuhr sie weiter, “hast du Hunger? Du hast doch bestimmt noch nichts gegessen. Komm mit zu uns hoch. Ich habe schon etwas vorbereitet.”
“Hannah, warum ich so früh da bin. Ich hatte es vor Ungeduld kaum ausgehalten. Alexander darf studieren. Bei den Diskussionen ist übrigens eine recht interessante Sache herausgekommen. Ich muss dir unbedingt darüber berichten. Na auf jeden Fall soll ich mit Alexander am Mittwoch ins Konservatorium kommen. Na, was sagst du”, verkündete Carsten und überschlug sich fast dabei.
“Oh, wunderbar. Alexander wird sich nicht einkriegen. Jeden Tag seit seinem Test fragt er mich, ob sich der Professor schon gemeldet habe”, freute sich Hannah.
“Wo ist Alexander?”
“Draußen”, antwortete sie, und mit dem Kopf zur Tür deutend sagte sie, “komm mit!”
Alexander schien schon nach oben gegangen zu sein, denn im Flur war er nicht mehr. Beide stiegen die Treppen zum zweiten Stock hoch und auf der obersten Stufe saß Alexander und wartete.
“Carsten?”, rief er fragend und gleichzeitig erfreut. Er sprang auf.
“Hallo Sportsfreund”, antwortete Carsten und die freudige Ungeduld stand ihm ins Gesicht geschrieben, “ich habe Neuigkeiten.”
Alexander riss die Augen auf und schaute Carsten in freudiger Erwartung an.
“Du bist angenommen. Am Mittwoch gehen wir hin. Es werden noch zwei weitere Professoren anwesend sein. Sie wollen den künftigen Studenten kennenlernen”, löste er endlich die über eine Woche aufgebaute Spannung bei Alexander.
Alexander stürzte Carsten in die Arme. Er hatte Tränen in den Augen. Welch sensibles Kind!
Am Mittwochmorgen gegen zehn holte Carsten Alexander ab. Hannah hatte einen Termin in der Schule vereinbart.
“Gut, Frau Villamonti, dass wir nochmals zusammensitzen können. Alexander ist wirklich zu einem Problem geworden”, sagte der Rektor im Beisein der Klassenlehrerin. Diese Formulierung, Alexander sei ein Problem geworden, gefiel Hannah gar nicht.
“Alexander ist ein äußerst begabtes Kind und kein Problem. Das Problem haben Sie, weil die Schule aufgrund ihrer bestehenden Struktur damit nicht umgehen kann, weil sie solche Fälle einfach nicht vorsieht.”
“Entschuldigen Sie meine Wortwahl. Sie haben Recht. Es ist so, dass
wir
ein Problem haben. Alexander stört nicht, er ist ein wohlerzogenes Kind, hat keine Verhaltensstörungen oder sonst irgendetwas, das man einem Problemkind zuschreiben könnte. Das einzige, er langweilt sich, weil er den anderen weit voraus ist”, korrigierte der Rektor seinen vorherigen Fauxpas.
“Ja, ich habe ihn beobachtet. Er sitzt da, schaut aus dem Fenster, als würde er träumen. Doch ich denke er träumt nicht. Er studiert an irgendetwas herum, denn oft macht er ganz plötzlich auf einem Blatt Papier irgendwelche Notizen. Der Junge würde unglücklich werden, wenn er die Klasse … sagen wir es mal so … ‘aussitzen’ müsste. Ich meine, er müsste eine Schule für Hochbegabte besuchen”,
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